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Germanistische Sprachwissenschaft

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Finanzkrise

  • 2008, Platz 1

Was bereits 2007 als Immobilienkrise in den USA begonnen hatte, wuchs sich 2008 zu einer weltweiten Banken- und Finanzkrise aus, die auch in Deutschland nahezu das ganze Jahr über die Schlagzeilen beherrschte. Die Casino-Mentalität etlicher Investment-Banker führte zu einer Vertrauenskrise in den Geschäftsbeziehungen der Banken untereinander. ‚Kleinere Missgeschicke‘ wie das der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die versehentlich 300 Millionen an die zu diesem Zeitpunkt bereits insolvente US-Bank Lehman Brothers überwies – „Wie konnte das passieren?“, fragte nicht nur der Tagesspiegel (19. 9. 2008) –, trugen das Ihre zur großen Milliardenverbrennung bei.

Unter anderem durch den Handel mit so genannten faulen Krediten hatten verantwortungslose Manager im September 2008 weltweit rund 1,3 Billionen US-Dollar verzockt (Wörter des Jahres 2008, Platz 2). „Bankster in den Knast!“, forderte in der Bild-Zeitung (22. 10. 2008) der Milliardenpleitier Jürgen Schneider, der selbst wegen Betrugs mehrere Jahre eingesessen hatte. In Anspielung auf das (Un-)Wort des damaligen Chefs der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, der die Verluste seines Hauses durch die Betrugsaffäre als Peanuts bezeichnet und damit Empörung ausgelöst hatte, erklärte Schneider, sein Fall sei „Peanuts gegen das, was sich die Banken erlauben“.

Der Rettungsschirm (Wörter des Jahres 2008, Platz 8) bzw. – wie es häufiger hieß – das Rettungspaket, das die Bundesregierung im Eilverfahren den Banken gegen strenge Auflagen zur Verfügung stellte, schien zunächst kaum gefragt. Innerhalb einer einzigen Woche beschlossen Bundestag und Bundesrat das 500-Milliarden-Gesetz, doch nur zögernd wollten sich führende Geldhäuser zu ihren Liquiditätsproblemen bekennen und die Hilfe in Anspruch nehmen. Keine Probleme hatte demgegenüber der Autohersteller Opel, zur Absicherung möglicher wirtschaftlicher Probleme um staatliche Bürgschaften nachzusuchen.

Das zusammengesetzte Substantiv Finanzkrise ist eines von sechs Komposita, die von der Gesellschaft für deutsche Sprache unter die zehn Wörter des Jahres 2008 gewählt wurden. Seine beiden Bestandteile sind Finanz (›Geldwesen‹), das vom lateinischen finis (›Grenze, Ziel‹, spätlat. auch ›Abgabe, Staatseinnahme‹) hergeleitet ist, und Krise (›Höhepunkt einer gefährlichen Entwicklung; schwierige Lage‹), das auf das griechische krisis (›Entscheidungs-, Wendepunkt‹) zurückgeht.

Keine Zweifel gab es, dass in der schwierigen Finanzlage der Wendepunkt auch Ende 2008 noch keineswegs erreicht war. Die Wörter Abschwung und Rezession machten die Runde. Und Bundeskanzlerin Merkel sagte in der Welt am Sonntag (23. 11. 2008) für das Wahljahr 2009 vorsichtshalber ein „Jahr der schlechten Nachrichten“ voraus.    ⋄    Jochen A. Bär