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Germanistische Sprachwissenschaft

Öffentlichkeitsaktivitäten

Wörter des Jahres

  • die neuen Bundesländer
  • vereintes Deutschland
  • 2+4-Gespräche
  • polnische Westgrenze
  • sozial abfedern
  • menschliche Schutzschilde
  • Verpackungsflut
  • Verkehrsinfarkt
  • Tatortprinzip, Wohnortprinzip

 

 

die neuen Bundesländer

  • 1990, Platz 1

Noch-DDR – damit fing es an. Dieser Ausdruck war für die Gesellschaft für deutsche Sprache der Anlass, „zu einem Ideenwettbewerb [...] aufzurufen“ (FAZ, 28. 9. 1990), bei dem es darum ging, einen Namen für das Gebiet der bisherigen DDR nach dem 3. Oktober zu finden. Die Preisaufgabe, per dpa-Meldung verbreitet, zog etwa 700 Einsendungen nach sich, darunter etliche Zuschriften aus Großbritannien, den USA und anderen englischsprachigen Ländern, nachdem auch Stars and Stripes über die Preisaufgabe berichtet hatte.

Die GfdS hatte offenbar einen „‚Sprachnerv‘ [...] getroffen“ (Sprachdienst 1/1991, S. 28): Es herrschte Wortfindungsnot in Deutschland. Der Ausdruck Noch-DDR, mit einem Mal überall zu vernehmen, füllte nur scheinbar eine Lücke, denn die Bevölkerung der ehemaligen DDR wünschte sich „nichts sehnlicher als die Verabschiedung von diesen drei ungeliebten Buchstaben“ (FAZ, 28. 9. 1990).

Diskutiert wurden – neben Bildungen wie Alt-DDR, Einst-DDR, Ex-DDR und Nicht-mehr-DDR, die alle das missliebige Akronym beinhalteten, geographischen Bezeichnungen wie Transelbien sowie Abkürzungen wie dem „geschmacklose[n] FOB (= Faß ohne Boden)“ (Förster 1991, S. 35) – vor allem die Vorschläge Mitteldeutschland und Ostdeutschland. Doch obgleich sie vielfach genannt worden waren, konnten sie die Preisaufgabenjury nicht überzeugen. Unter anderem deshalb nicht, weil Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Bayern sich geographisch schwerlich unter Westdeutschland (dem Gegenstück zu Ostdeutschland) einordnen lassen.

Die Fügung die neuen Bundesländer, bestehend aus drei Einzelvokabeln, ist hingegen „ein wortgewordenes Bekenntnis zum Föderalismus. Und es steckt ein Hoffnungsträger darin: neu“ (Förster 1991, S. 34). Das waren jedoch nicht die einzigen Gründe für die Jahreswörterjury, sie zu dem Wort des Jahres zu küren. Sie wollte den Neu(bundes)ländern mit ihrer Wahl auch einen „Willkommensgruß senden“ (ebd.) – einen, der bald hochfrequent wurde, denn in den 160.829 dpa-Meldungen von 1990 (ausgewertet vom ZDF) kamen die neuen Bundesländer immerhin 3236-mal vor. Der Ausdruck konnte demnach gleich zwei „Jurys“ überzeugen; ein wahrer Sieger also.    ⋄    Anke Bruß

 

Förster, Uwe (1991): Deutsch 1990. In: Der Sprachdienst 35, 33–48.