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Germanistische Sprachwissenschaft

Öffentlichkeitsaktivitäten

Wörter des Jahres

  • der 11. September
  • Anti-Terror-Krieg
  • Milzbrandattacke
  • Schläfer
  • Stammzellenimport
  • Schlafmünzen
  • Homo-Ehe
  • Agrarwende
  • Luderliga
  • Riester-Rente
  • simsen
  • Und das ist (auch) gut so!

 

 

der 11. September

  • 2001, Platz 1

„Nichts ist mehr so, wie es war.“ Dieser Satz, seit dem 11. September 2001 immer wieder zu hören und zu lesen, zeigt, wie sehr die Ereignisse dieses Tages die Welt verändert haben. Terroranschläge bis dahin nicht vorstellbaren Ausmaßes haben das Jahr 2001 im Nachhinein auch sprachlich derart geprägt, dass gleich vier Wörter aus diesem Themenbereich in die Liste der „Wörter des Jahres“ gelangt sind (außer der 11. September noch Anti-Terror-Krieg, Milzbrandattacke und Schläfer), wobei als das Wort des Jahres ein Datum gewählt wurde. Es ist damit kein Wort im strengen Sinne (vgl. S. 7 f.), sondern eine Wortgruppe aus drei Einzelwörtern: Der 11. September steht für das Ereignis, das mehr als alles andere dieses Jahr charakterisierte.

Wie schon bei anderen Kalenderdaten – beim 17. Juni (1953 Volksaufstand in der DDR), 6. August (1945 Hiroshima), 13. August (1961 Bau der Berliner Mauer), 3. Oktober (1990 Wiedervereinigung) oder 9. November (1918 Abdankung Wilhelms II., 1938 Reichskristallnacht/Reichspogromnacht, 1989 Maueröffnung) – evoziert die bloße Nennung des Datums die Erinnerung an das, was an diesem Tag passiert ist: Bei einem Terroranschlag mit entführten Passagierflugzeugen auf die amerikanischen Städte New York und Washington starben am 11. September 2001 fast 4 000 Menschen. Das Hauptziel, das World Trade Center, wurde bei diesem Angriff zerstört. Das Datum bedeutete eine Zäsur und wirkte nach wie selten ein Ereignis der letzten Jahrzehnte. Der 11. September wurde zur Begründung für den darauf folgenden Krieg der internationalen Staatengemeinschaft in Afghanistan (Anti-Terror-Krieg), der zum Ziel hatte, der für den Anschlag Verantwortlichen habhaft zu werden und die dort herrschenden fundamentalistischen Taliban zu entmachten. Auch zwei Jahre später diente er als Argument für den Krieg der USA gegen den Irak, der für den amerikanischen Präsidenten George W. Bush mit einigen weiteren Schurkenstaaten eine Achse des Bösen bildete und für die Anschläge des 11. September mitverantwortlich gemacht wurde.

Kürze und Prägnanz der Datumsangabe sorgen dafür, dass mit minimalen sprachlichen Mitteln genau bezeichnet wird, was gemeint ist: Jeder, der mit den Geschehnissen vertraut ist, assoziiert mit der schlichten Datumsnennung mehr, als mit vielen Sätzen gesagt werden könnte. Auch in Amerika hat sich die Datumsangabe als Bezeichnung für das Geschehene durchgesetzt: 9-11 oder 9/11 (nach amerikanischer Lesart eines Datums in umgekehrter Reihenfolge), gesprochen „nine-eleven“, ist auch in den USA zum Symbol für die Terrorangriffe dieses Tages geworden und wurde zum „Word of the Year“ gekürt, das alljährlich von der American Dialect Society ausgewählt wird.

Durch die Namenfunktion, die der Ausdruck mittlerweile angenommen hat, kann der 11. September kaum mehr als allgemeine, neutrale Datumsangabe fungieren, sondern wird zumindest für die nähere Zukunft stets an den 11. September des Jahres 2001 erinnern – jenen Tag, der auch den Wörtern Terrorisus/Terrorist eine neue inhaltliche Dimension eingetragen hat.    ⋄    Anja Steinhauer