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Glykol

  • 1985, Platz 1

Bevor Glykol 1985 im so genannten Glykolskankal fragwürdigen Ruhm erlangte, war der ölig-süße zweiwertige Alkohol vor allem als Frostschutzmittel bekannt. Beim Weinskandal in Österreich mischten einige Winzer ihrem Wein die Chemikalie zu, um ihm mehr Süße zu verleihen. Glykol galt anfangs als gesundheitlich unbedenklich, nach eingehenden Untersuchungen kam man jedoch zu dem Ergebnis, dass es in den gemessenen Dosen durchaus Nieren, Leber und Gehirn schädigen könne.

Durch das Bekanntwerden des Weinskandals brach der Weinmarkt in Österreich fast ganz zusammen. Aber auch deutsche Weinbauern traf es hart. In 42 deutschen Weinen wurde damals Glykol nachgewiesen, über 40 Winzer mussten für mehrere Jahre hinter Gitter. Der Gesamtschaden für die deutsche Weinwirtschaft belief sich auf etwa eine Milliarde DM. Die Verbraucher forderten uneingeschränkte Aufklärung, zu der auch die Auflistung der am Skandal beteiligten Betriebe zählte. Es kam zu einem Protest der Winzer, die sich in ihrer Existenz bedroht sahen. Zwei Weinkellereien legten Verfassungsbeschwerde gegen die Auflistung der Produktnamen ein; die Karlsruher Richter entschieden jedoch, dass eine solche Liste durchaus verfassungsgemäß sei.

Wie wichtig Aufklärung und strenge Lebensmittelüberwachung sind, kann man an der langen Liste der Bioskandale in den letzten Jahren sehen: Verstrahltes Molkepulver, genmanipulierte Lebensmittel, der Kälbermastskandal und die BSE-Krise, Gammelfleisch und Killersprossen kamen unter die „Wörter des Jahres“. Nach über 15 Jahren wurde uns 2002 auch der Glykolskandal wieder ins Bewusstsein gerufen, als im Zusammenhang mit der Agrarwende das Bundesverfassungsgericht entschied, dass der Staat eine Wächterfunktion habe und befugt sei, den Bürger schnell und umfassend mit Informationen zu versorgen und aufzuklären.

In Wien hatte der Skandal unmittelbare Folgen. Österreich verabschiedete Ende 1985 eines der härtesten Weingesetze der Welt, das mit den strengen Auflagen der Champagnerproduktion zu vergleichen ist. Aus heutiger Sicht kann diese Maßnahme als Glücksfall angesehen werden, denn dank des Gesetzes gelang es den Winzern, den guten Ruf der österreichischen Weine in kürzester Zeit nicht nur wiederherzustellen, sondern um ein Vielfaches zu übertreffen. Insbesondere die Weißweine aus der Wachau und ihren Nebentälern zählen zu den besten weltweit.    ⋄    Yvonne Kreusch