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Germanistische Sprachwissenschaft

Wissenschaftstransfer – Öffentlichkeitsaktivitäten

Das Jahr der Wörter

(152) 1. Juni – Kuddelmuddel

Manche Wörter erfreuen sich im Oldenburger Münsterland besonderer Beliebtheit. Man merkt es daran, dass sie mehrfach für die Kolumne „Das Jahr der Wörter“ vorgeschlagen wurden. Zu ihnen gehört auch Kuddelmuddel: Die Klasse 6b der Vechtaer Liebfrauenschule und die Klasse 9c des Gymnasiums Damme haben es eingesandt. Die 6b hat sogar eine Begründung mitgeliefert: „Wir finden das Wort Kuddelmuddel interessant, weil es witzig klingt und die Schreibweise auch komisch ist. Und wir haben oft Kuddelmuddel in unseren Zimmern“.

Sehr sympathisch, findet der Bär, der auch oft (nein: eigentlich immer) Kuddelmuddel auf seinem Schreibtisch hat ...

Kuddelmuddel bedeutet mehr oder weniger das Gleiche, wie das in dieser Reihe (am 20. Januar) bereits vorgestellte Tohuwabohu: ›Durcheinander, Wirrwarr‹. Wir sagen bewusst „das Gleiche“ und nicht „dasselbe“, weil Bedeutungen nicht unabhängig von Wörtern vorkommen. Jedes Wort hat seine eigene Bedeutung und jede Bedeutung hat ihr eigenes Wort. Wenn man dann Wörter findet, die im Sinn übereinstimmen (so genannte Synonyme wie Apfelsine und Orange, Samstag und Sonnabend, Stier und Bulle oder eben auch Kuddelmuddel und Tohuwabohu), dann hat man es eben jeweils mit zwei gleichen Bedeutungen zu tun, nicht mit einer und derselben.

Kuddelmuddel wird laut Dudenwörterbuch entweder auf der ersten oder auf der dritten Silbe betont, und es ist eines der seltenen Wörter im Deutschen, die ein schwankendes Genus aufweisen: der oder das Kuddelmuddel, beides ist korrekt. Andere Beispiele, bei denen es nicht nur ein grammatisches Geschlecht gibt, sind der/die Abscheu, das/der Barock, der/das Pflichtteil und der/das Radar.

Die Herkunft von Kuddelmuddel, das sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts von Berlin aus verbreitet zu haben scheint, ist nicht völlig geklärt. Möglicherweise steht es im Zusammenhang mit dem niederdeutschen kodden oder koddeln ›etwas unsorgfältig, nicht sauber waschen‹ und dem ebenfalls niederdeutschen Modder ›Schlamm‹, das man in Köln auch als Muddel kennt.

Im Grimm’schen Wörterbuch findet man Kuddelmuddel nicht, dafür aber Kudel (auch Kottel), im Schlesischen und auch in anderen Dialekten, in denen man andere Formen wie beispielsweise Kutzel findet, ein Ausdruck ›Loden, Filz‹ oder auch für ›wirre Haare‹. Die ursprüngliche Bedeutung von Kuddelmuddel scheint also ›Lumpen-, Schmutz-, Schmierkram‹ gewesen zu sein.    ⋄    Jochen A. Bär

(153) 2. Juni – simsen

Seit 1992 kennt man den Short Message Service (›Kurznachrichtendienst), kurz SMS. Dass es der Short Message Service (nach deutsch der Dienst), aber die SMS ist, zeigt schon, dass das Kurzwort eine andere Bedeutung angenommen hat: ›über den Kurznachrichtendienst versendete Nachricht‹.

Das zugehörige Verb („Tätigkeitswort“) verbreitete sich – zusammen mit der Tätigkeit des SMS-Schickens selbst – seit den späten 1990er Jahren und schaffte es 2001 unter die Wörter des Jahres: Simsen. Kurzwörter sind (anders als Abkürzungen wie z. B., d. h. oder usw.) Wörter im engeren Sinn. Sie sind im Gegenwartsdeutschen sehr häufig. Verb-Ableitungen von Kurzwörtern aber sind selten. Beispielsweise kann ein Auto getüvt werden (zu TÜV ›Technischer Überwachungsverein‹).

Das ›Verschicken einer SMS‹ würde durch Anhängen der Verb-Endung -en an das Substantiv SMS zu smsen. Da man es so aber kaum aussprechen könnte, wurde ein so genanntes euphonisches i – ein Laut, der die Aussprache erleichtert – eingefügt, und es entstand simsen. Allerdings scheint es die Form smsen, die dann „es-em-essen“ zu sprechen wäre, ebenfalls zu geben – jedenfalls wurde das Wort in dieser Form für unsere Reihe vorgeschlagen von Lydia Eilhoff aus Lohne.

Da die bei der SMS zur Verfügung stehende Zeichenzahl begrenzt ist – es können nur 160 Zeichen auf einmal versendet werden (inklusive Leerzeichen) –, ist es angezeigt, sich möglichst kurz zu fassen. Häufig wird daher im Telegrammstil gesimst. Doch auch ganze Sätze werden mit wenigen Buchstaben abgekürzt. Mit etwas Glück verstehen die Adressaten sogar, was gemeint ist. Beispiele sind GuMo (›Guten Morgen‹) und hdl (›hab dich lieb‹); für Fortgeschrittene eignet sich wobidumedima (›Wo bist du? Melde dich mal!‹) oder hdgdl (›hab dich ganz doll lieb‹).

Dergleichen ist nicht etwa Sprachverfall, sondern eine praxisorientierte Form der Verständigung, die auf ein ganz bestimmtes Kommunikationsmedium beschränkt ist. Niemand, der so simst oder auch esemest, würde ja so sprechen. Dennoch, der Gedanke, dass die Sprache leide, ist da. Smsen ist „eigentlich ein Unwort“, schreibt Lydia Eilhoff: „Kann es wieder aus dem Sprachgebrauch entfernt werden?“

Antwort des Sprachwissenschaftlers: Sicherlich nicht durch Sanktionen. Wenn ein Wort erst einmal etabliert ist, lässt es sich nicht mehr unterdrücken. Einzige Möglichkeit: Es gibt irgendwann eine technische Neuerung, durch welche die SMS abgelöst wird. Ein Wort für eine Sache, die niemand mehr braucht, gerät in aller Regel rasch in Vergessenheit.    ⋄    Jochen A. Bär

(154) 3. Juni – Glibber

Die einzelnen Bände großer Wörterbücher haben in der Regel, zusätzlich zum Titel des Gesamtwerkes, Untertitel, in denen jeweils der erste und der letzte in dem Band zu findende Artikel angegeben wird, mit anderen Worten: die Alphabetstrecke, die der Band beinhaltet. Der erste Band (erschienen 1989) des großen Frühneuhochdeutschen Wörterbuches etwa, das mein Doktorvater Oskar Reichmann in Heidelberg in den 1970er Jahren begründet hat und an dem in einer Arbeitsstelle der Göttinger Akademie der Wissenschaften noch heute gearbeitet wird, hat den Titel „a - äpfelkern“ (im Frühneuhochdeutschen gab es noch keine einheitliche Großschreibung von Substantiven, daher schreibt das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch einheitlich alles klein).

Ebenfalls berühmt (weil so schön abstrus) ist in der historischen Lexikographie folgender Titel: „Vierter Band I. Abteilung 5. Teil. Glibber - Gräzist“. Es handelt sich dabei um einen (1958 erschienenen) Teilband des Deutschen Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm, nach neuer Zählung Band 8. Am Anfang von Spalte 1 findet man dort, wie der Titel schon verraten hat, unter dem Stichwort Glibber folgende Erläuterung: ›glatte, klebrige Masse, Gelee (von eingemachten Früchten)‹. Das Wort kommt nur in norddeutscher Umgangssprache vor und ist „in älterer Zeit nicht belegt“. Die Lexikographen vermuten, dass das vereinzelt bezeugte schwedische glibber (z. B. „slem och glibber“) aus dem Niederdeutschen entlehnt sein könnte. Das Wort ist möglicherweise eine Rückbildung aus dem älteren Adjektiv glibberig (›schlüpfrig, glatt‹).

All diese Informationen findet man im großen Duden nicht; er begnügt sich mit der knappen Erläuterung ›schlüpfrige, glitschige (gallertartige) Masse, schmierige Flüssigkeit‹.

Glibber ist ein herrliches Wort – findet jedenfalls die Klasse 4a der Grundschule Sankt Hülfe-Heede in Diepholz, die das Wort für unsere Kolumne vorgeschlagen hat. Es ist so schön lautmalerisch: Man sieht die Lichtreflexe auf der wabbelnden geleeartigen Masse förmlich vor sich, wenn man das Wort hört.

Das war aber selbstverständlich nicht der Grund, warum ein Band des Grimm'schen Wörterbuches mit dem Wort Glibber einsetzt. Vielmehr war das – ganz langweilig – deshalb so, weil der vorangegangene Band zufällig bei Gleve (veraltet für ›Lanze‹) geendet hatte und nun als nächstes Wort im Alphabet eben Glibber an der Reihe war.    ⋄    Jochen A. Bär

(155) 4. Juni – Tollpatsch

Im Jahr 2008 veranstaltete das Goethe-Institut den Wettbewerb „Wörter mit Migrationshintergrund“. Gesucht wurden Wörter und Redewendungen aus anderen Sprachen, die ins Deutsche „eingewandert“ sind. Jede natürliche Sprache birgt zahlreiche solcher Lehnwörter. Ihr „Migrationshintergrund“ ist uns oft gar nicht bewusst. Sie bereichern unsere Sprache, halten sie lebendig, auf dem Laufenden und machen sie interessant. Aus insgesamt 3500 Wort-Einsendungen aus 42 Sprachen – das am häufigsten eingereichte Wort war Fisimatenten, welches am 15. Januar 2014 hier in der Kolumne kommentiert wurde –, wählte eine Jury das Substantiv Tollpatsch auf Platz eins. Beliebt ist es auch bei unserer Leserschaft. Dreimal wurde es vorgeschlagen: von Marc Blömer, von den Kindern der Grundschule Rechterfeld und von der Klasse 4c der Kardinal-von-Galen-Schule in Dinklage.

Aber Moment einmal: Tollpatsch soll ein eingewandertes Wort sein? Setzt es sich nicht aus toll und patsch zusammen? Keineswegs!

Aufgrund der Schreibung ist schwer zu erkennen, woher das Wort kommt. Obgleich Tollpatsch sich mit Doppel-l schreibt, hat der Ausdruck nichts mit dem Adjektiv toll zu tun, ebenso wenig mit der lautmalerischen Interjektion patsch. Erst durch volksetymologische Umdeutung, die das Wort Tollpatsch wohl aufgrund von Ähnlichkeiten im Klang mit toll (was früher einmal ›verrückt‹, ›töricht‹ bedeutete) in Verbindung brachte, wurde das Wort in seiner heutigen Bedeutung und Schreibung geprägt: Es bezeichnet einen ›sehr ungeschickten Menschen‹. Im Zuge der Rechtschreibreform von 1996 wurden orthographische Änderungen auch mit dem Ziel einer Anpassung an Volksetymologien begründet, was dazu führte, dass der Tollpatsch nicht nur in seiner Bedeutung, sondern auch in seiner sprachlichen Gestalt an das Adjektiv toll angeglichen wurde. Bis 1996 war die richtige Schreibweise noch Tolpatsch. Die Anpassung der Orthographie an die Volksetymologie macht das Wort undurchsichtig. Sie ist quasi ein offizieller Akt der etymologischen Verunklarung.

Tollpatsch wurde im 17. Jahrhundert entlehnt aus ungarisch talpas. Talpas bedeutete ›füßig‹ oder ›breitfüßig‹ und war in den Formen Tobatz, Tolpatsch, Talpatsch, Dolpatsch, Dalpatsch eine umgangssprachliche Bezeichnung, ein spöttischer Name, für einen ungarischen Fußsoldaten. Es wurde gebildet zu dem ungarischen Wort talp (›Sohle‹, ›Fuß‹). Angeblich trugen ungarische Infanteristen statt festen Schuhwerks breite mit Schnüren befestigte Sohlen, wenn man so will: Sandalen. Für die Österreicher, die den Ausdruck von den Ungarn übernahmen, war ein Tolpatsch ein Soldat, der Kauderwelsch sprach.    ⋄    David Römer

(156) 5. Juni – der/die/das

Kein „Jahr der Wörter“, ohne dass wir dem häufigsten deutschen Wort die Ehre erweisen: die. Es kommt in der deutschen Sprache öfter vor als jedes andere Wort – öfter als der, da es auch überall dort begegnet, wo der im Plural (in der „Mehrzahl“) steht: die Männer.

Damit sind wir schon mitten im Problem: Es ist überhaupt nicht klar, was hier „Wort“ bedeuten soll. Erstens ist die Frage, ob man der, die und das als grammatische Formen eines und desselben Wortes oder als drei verschiedene Wörter interpretiert – die Computersuchfunktion erkennt jedenfalls nur die Buchstabenfolge, aber nicht, ob es sich bei der womöglich um den Genitiv von die (z. B. in „eine Frage der Grammatik“) oder bei die um den Plural von der (s. o.) handelt –, und zweitens lässt sich durch einen Computersuchgang auch nicht bzw. nur mit einem aufwändigen Programm herausfinden, zu welcher Wortart der/die/das gehört: ob es als Artikel oder als Pronomen vorliegt. Im ersten Fall steht es zusammen mit einem Substantiv (der Mann/die Frau/das Kind), im zweiten steht es anstelle eines durch einen Artikel begleiteten Substantivs: „Der hat mich geärgert!“ – „Die hat mich gehauen!“ – „Das ist mir egal: Vertragt euch!“ Jedes Wort gehört zu einer bestimmten Wortart; es kann nicht zu zwei verschiedenen gehören. Wörter, die das doch zu tun scheinen, sind verschiedene Wörter, die nur gleich aussehen (Homonyme).

Historisch gesehen waren der, die und das zuerst Pronomina. Noch das Althochdeutsche drückte das Genus („Geschlecht“) und die Kasus („Fälle“) in Singular und Plural durch unterschiedliche Endungen aus. Als diese durch Lautwandel sich immer mehr aneinander anglichen und am Ende kaum noch unterscheidbar waren, ging man dazu über, Kasus, Numerus und Genus der Substantive durch vorangestellte Pronomina anzuzeigen: die Geburtsstunde der Wortart ‚Artikel‘. Wenn wir heute Sätze hören (und manchmal auch lesen) wie „Brauchstu Artikel?“ – „Nee, wenn, bestell isch Internet“, dann ist das ein Sprachwandel, der grammatisch gleichsam zu den Anfangsgründen der deutschen Sprache zurückführt.

Übrigens: Die Ansicht, dass man im Standarddeutschen bestimmte Substantive, z. B. Materialbezeichnungen wie Stoff, Metall, Milch usw., ohne Artikel verwenden könne („die Tür ist aus Metall“, „ich trinke Milch“ usw.), ist zwar verbreitet, aber wenig einleuchtend. Logisch überzeugender ist es anzunehmen, dass ausnahmslos jedes Substantiv einen Artikel bei sich führt: diejenigen, die vermeintlich keinen haben, den so genannten Nullartikel (eine Leerstelle mit Artikelfunktion, d. h. einen Artikel, den man nicht sieht, der aber trotzdem da ist).    ⋄    Jochen A. Bär

(157) 6. Juni – Fingerhut

Ein klassisches Teekesselchen-Wort: Fingerhut. Genau darum gefällt es der Klasse 4a der Grundschule St. Hülfe-Heede in Diepholz; die Kinder haben das Wort für unsere Kolumne vorgeschlagen.

Der zehnbändige Duden von 1999 zeigt: Es handelt sich nicht um zwei verschiedene, ausdrucksgleiche Wörter (Homonyme), sondern um ein und dasselbe Wort mit zwei Bedeutungen: 1. ›bei Näharbeiten zum Schutz des Mittelfingers über das oberste Fingerglied zu stülpende Kappe aus Metall o. Ä.‹ und 2. ›(zu den Rachenblütlern gehörende) hohe Staude mit großen roten oder gelben, in Trauben wachsenden, einem Fingerhut (1) ähnlichen Blüten‹.

Die beiden Wortbestandteile sind bekannte, alltägliche Wörter. Hut (der Hut ›Kopfbedeckung‹) geht ebenso wie sein Homonym (die Hut ›Schutz, Geborgenheit‹) und das zugehörige hüten (›bewahren, beschützen‹), englisch hat und hood (›Kapuze‹), niederländisch hoed und lateinisch cassis (›Helm, Schutzhaube‹) vermutlich auf eine indoeuropäische Wurzel mit der Bedeutung ›schützende Bedeckung‹ zurück. Finger ist verwandt mit fünf und bedeutete ursprünglich ›einer von den Fünfen‹. In anderen Sprachen geht die Bezeichnung für ›Finger‹ auf andere Ursprünge zurück; das lateinische digitus beispielsweise ist verwandt mit den deutschen Wörtern zeigen und Zeichen. Das englische digit bedeutet unter anderem ›Ziffer‹ (nach den zum Zählen benutzten Fingern), das davon abgeleitete digital eine Technik, die jede Information in Ziffernfolgen übersetzt.

Das lateinische Wort digitus liegt dem wissenschaftlichen Namen der Gattung Digitalis zugrunde, z. B. bei Digitalis purpurea (›roter Fingerhut‹), der im Volksmund auch Fingerkraut, Fuchskraut, Schwulstkraut, Unserer lieben Frauen Handschuh, Waldglöckchen oder Waldschelle heißt. Fingerhutpflanzen sind in allen ihren Bestandteilen hochgiftig; schon der Verzehr von zwei Blättern kann tödlich sein. Doch wie so oft liegen die Gegensätze nah beieinander: Aus dem Gift kann auch ein wirksames Herzmedikament gewonnen werden, das ebenfalls Digitalis genannt wird.

Interessant: Im großen Duden von 2012, der Neuauflage des eingangs zitierten Zehnbänders, der nicht mehr als Buch, sondern nur noch in digitaler Form erschienen ist, steht unter Fingerhut nur noch eine Wortbedeutung (nämlich die erste: ›Fingerschutz‹). Offenbar ein Versehen, denn vom Artikel Digitalis aus wird auf „Fingerhut (2)“ verwiesen. Digitale Verwirrung ...    ⋄    Jochen A. Bär

(158) 7. Juni – Treue

Wer beständig ist, verlässlich, unerschütterlich in seinen Überzeugungen, wer fest zu seinen Freunden (insbesondere seinem Lebenspartner) steht, der wird treu genannt. Auf der Grundlage von Treu und Glauben – d. h. in der Bereitschaft, ein gegebenes Wort zu halten, und andererseits im Vertrauen darauf – werden Verträge abgeschlossen. Treue ist demnach ein hoher Wert, ein Garant menschlicher Gemeinschaft. Obwohl man es mit ihr auch übertreiben kann: Man denke nur an die berüchtigte Nibelungentreue. Sprichwörtlich ist die (schon Walther von der Vogelweide bekannte) deutsche Treue – oder vielleicht besser: war. Denn spätestens nach den Erfahrungen des zwölfjährigen Reichs („Unsere Ehre heißt Treue“, lautete bezeichnenderweise der Wahlspruch der SS) haben die Deutschen offenbar ihre Lektion gelernt und die Grenzen der Treue erkannt. Wie seinerzeit US-Präsident George W. Bush erfahren musste, als er im Irak einmarschierte, ist „bedingungslose Solidarität“ bei uns nicht mehr gleichbedeutend mit blinder Gefolgschaft. Zum Glück. Denn sonst wären wir nicht treu, sondern treudoof.

Die Wortherkunft zeigt, dass der Gedanke des Festen, Harten, Zuverlässigen bereits ursprünglich vorhanden war: treu geht zurück auf ein indoeuropäisches Wort deru, dreu oder dru, das ›Baum‹, eigentlich ›Eiche‹ bedeutet und im griechischen drys (›Baum, Eiche‹, davon abgeleitet: Dryade ›Baumnymphe‹) sowie bis heute im englischen tree erhalten ist. Verwandt sind trauen, vertrauen usw., Trost (›Gewährung von Schutz, Hilfe, Sicherheit, Ermutigung‹), daneben englisch true (›wahr, wahrhaft, treu‹), lateinisch durus (›hart, fest‹), aber auch Wörter wie Truhe (›fester, sicherer Holzkasten‹), Trog (ursprünglich: ›aus einem Holzstamm gefertigte Mulde‹) und selbst Teer (ursprünglich: ›das von Holz, von Bäumen Stammende‹, nämlich die durch Verschwelung oder Verkokung gewonnene klebrige Masse).

Die Treue (mittelhochdeutsch: triuwe) ist freilich nicht nur eine persönlich-subjektive Eigenschaft, sondern wird auch als soziale Qualität verstanden: als Rechtssicherheit, und metonymisch als dasjenige, was diese garantiert: als Vertrag, Bündnis oder Gelübde. In diesem Sinne ist die Rede von Gefolgschaftstreue, Lehenstreue usw. Das war im Mittelalter eine auf gegenseitiger Verpflichtung beruhende Beziehung zwischen Lehensherr und Vasall, die garantierte, dass jemand keinem fremden Herrn diente. Wenngleich sich die historischen Rahmenbedingungen seither etwas verändert haben: Auch heute versteht man in einer Beziehung unter treu sein noch, dass man nicht fremdgeht.    ⋄    Jochen A. Bär

(159) 8. Juni – Pfingsten

Dem Ursprung des Namens für das heutige Fest ist das plattdeutsche Wort, Pingsten, näher als das hoch­deut­sche Pfingsten. Es geht nämlich ziemlich direkt auf das griechische Wort pentekosté zurück, ein Zahlwort, ge­nauer ein Ordnungs- oder Ordinalzahlwort mit der Bedeutung ›fünfzigst‹. Im ersten Teil steckt das Grund- oder Kardinalzahlwort pénte ›fünf‹, das wir von Fremdwörtern her kennen, zum Beispiel Pentagon ›Fünfeck‹ (auch als Bezeichnung des amerikanischen Verteidigungsministeriums, das als Fünfeck gebaut ist), Pentagramm ›fünfeckiger Stern, der in einem Zug mit fünf gleich langen Linien gezeichnet werden kann und im Volksglauben als Zeichen gegen Zauberei oder Ähnliches gilt‹ (Universalduden). Auch der Pentameter gehört hierher, wenn­gleich der Name irreführend ist (wörtlich: ›Fünfmaßler‹). Es handelt sich nämlich um einen Vers, der aus sechs Versfüßen besteht, der durch Zäsur in zwei Hälften geteilt ist: „... ím Pentámeter dráuf | fä́llt er melódisch heráb“; vgl. elegisch (Kolumne Nr. 91 vom 1. April).

Zurück zu pentekosté. Dem pente ›fünf‹ folgt -ko- (vergleichbar unserem -zig) und diesem wiederum -st- (un­ser-st); das -e schließlich ist im Griechischen wie im Deutschen ein Flexionssuffix (eine „Beugungsnach­sil­be“): fünf-zig-st-e(r), zu ergänzen heméra ›Tag‹: der fünfzigste (Tag) nach Ostern, genauer nach dem Ostersonntag, dem Tag der Auferstehung Christi von den Toten, wie die Christen glauben. Sieben Wochen später feiern sie die Ausgießung des Heiligen Geistes. Die Zählung geht übrigens nur auf, wenn der Ausgangstag mitgezählt wird, sonst sind es von Ostern bis Pfingsten nur 49 Tage. In derselben Weise verabreden wir uns aber auch im Deutschen für „heute in acht Tagen“ und meinen damit ›heute in einer Woche‹, oder wir sagen, dass die OV am Sonntag „alle acht Tage“ erscheint.

Das griechische Zahlwort pentekosté findet sich (ebenfalls unter Ausfall des Bezugswortes ›Tag‹) ziemlich formtreu wieder in den romanischen Sprachen: italienisch Pentecoste, spanisch Pentecostés, französisch Pentecôte. Im Englischen gibt es neben Pentecost den merkwürdigen Namen Whitsun. Er geht zurück auf ein missverstandenes Whit Sunday (›Weißer Sonntag‹ – mit whit als älterer Form von white –, so genannt wegen der weißen Kleider, die die Täuflinge zu Pfingsten trugen, wie das Shorter Oxford English Dictionary erklärt). Whit Sunday wurde zerlegt in Whitsun und day, wobei day ›Tag‹ ausfiel. Für Deutsche sind Missverständnisse vorpro­grammiert: Unser Weißer Sonntag ist ja der auf Ostern direkt folgende erste Sonntag, nicht der siebente; er heißt auf Englisch Low Sunday.

Wie verhält sich niederdeutsch Pingsten zu hochdeutsch Pfingsten? Die Form mit einfachem p- im Anlaut ist älter als die mit pf-. Letztere geht auf die Lautverschiebung vor anderthalbtausend Jahren zurück, die die hoch­deutschen Dialekte von den niederdeutschen und allen übrigen germanischen Dialekten absonderte. So wur­de auch aus der Piepe die Pfeife, aus dem Tuun wurde der Zaun, und aus der Karken wurde die Kirche.

Nun aber genug von Sprachlichem, obwohl Pfingsten als Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes auch das sprachlichste aller christlichen Feste ist: Die Jünger und Apostel waren so vielsprachig zu vernehmen, dass man vermutete, sie seien voll des süßen Weines. „Pfingsten, das liebliche Fest“, wie es bei Goethe heißt, möge ge­feiert werden.    ⋄    Wilfried Kürsch­ner

(160) 9. Juni – Geist

Geist ist ein Wort, das in der deutschen Geistesgeschichte die zentrale Rolle spielt. Der Geist weht, wo er will, an Pfingsten wird Gottes Geist ausgegossen (so hoffen wir), man kann Geist haben, von edlem Geist beseelt, von allen guten Geistern verlassen oder jemandes böser Geist sein; man kann jemandem auf den Geist gehen, in jemandes Geist handeln und sich auf den Geist einer Versammlung, z. B. eines Parteitages berufen; man kann Geister bannen, auch rufen (tunlichst nur solche, die man wieder loszuwerden versteht), aber auch den Geist aufgeben. Juristen machen (bisweilen) mehr oder weniger geistreich vom Geist des Gesetzes Gebrauch, Lifestyle-Journalisten sind begeistert vom Zeitgeist. Es gibt große und kleine, gesunde und kranke, verwirrte, freie und dienstbare Geister, auch Wald-, Berg-, Feuer-, Wasser-, Wein-, Schön- und Quälgeister. Der Artikel Geist ist mit 118 Spalten einer der längsten im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm.

Angenommen wird, dass Geist auf eine indoeuropäische Wurzel mit der Bedeutung ›aufgebracht, bestürzt, erschreckt (sein)‹ zurückgeht; verwandt sind unter anderem altenglisch gaestan ›in Schrecken versetzen‹ und englisch ghastly ›gräßlich, entsetzlich, furchtbar‹. Ursprünglich bedeutete Geist also wohl ›(Schreck)gespenst, übersinnliches Wesen‹. Später, in der Christianisierung, wurde das Wort dann zur Übersetzung des lateinischen spiritus sanctus (›heiliger Geist‹) verwendet. Möglicherweise hatten die Missionare begriffen, dass neue, zumal abstrakte Glaubensinhalte lebendiger vermittelt werden, wenn sie an vorhandene religöse Ehrfurcht anknüpfen können – und sei es Aberglaube.

Nachdem Geist dergestalt (jedoch ohne dabei seine ursprüngliche Bedeutung zu verlieren) als deutsche Entsprechung zu spiritus etabliert war, konnte es bei der Übersetzung verschiedener Textstellen auch weitere semantische Nuancen dieses vielschichtigen lateinischen Wortes übernehmen, z. B. ›Seele, Gemüt‹ und ›innere Haltung, Einstellung‹. Später traten andere Inhalte dazu, beispielsweise der des lateinischen genius (›schöpferische Begabung‹). Im 18. Jahrhundert geriet Geist zusätzlich unter den Einfluss des französischen esprit.

Seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde Geist dann zunehmend als ein überpersönliches, universales historisches Prinzip verstanden. Die Geistesphilosophie insbesondere Georg Wilhelm Friedrich Hegels (u. a. in seinem Buch Phänomenologie des Geistes) bestimmte das europäische Denken bis weit ins 20. Jahrhundert hinein und prägte die fachsprachlich-philosophische Verwendung des Wortes Geist bis auf den heutigen Tag.    ⋄    Jochen A. Bär

(161) 10. Juni – Föhn

Die wenigsten Leute haben einen Fön zuhause. Sehr viele jedoch besitzen einen Föhn. Allerdings erst seit 1996.

Wer mit der jüngsten Sprachgeschichte vertraut ist, weiß bei diesem Datum schon Bescheid: Es ist das Jahr, in dem die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in Kraft trat, besser bekannt als Rechtschreibreform. Damals verzichtete man auf die bis dahin geltende Unterscheidung zwischen dem Haartrockner (Fön) und dem warmen Fallwind (Föhn), so dass seither beides mit h zu schreiben ist.

Die Klasse 7d der Vechtaer Liebfrauenschule hat Föhn für unsere Kolume vorgeschlagen: „Wo kommt das Wort her? Wir haben es ausgesucht, weil wir uns gefragt haben, was es eigentlich bedeutet.“

Darüber gibt das Etymologische Wörterbuch der Deutschen von Wolfgang Pfeifer Auskunft: althochdeutsch fono (mittelhochdeutsch foenne, neuhochdeutsch Föhn) kommt vom vulgärlateinischen faonius, das seinerseits auf lateinisch favonius (›lauer Wind, Frühlingswind, Südwind‹) zurückgeht und wohl in die Wortfamilie des lateinischen fovere (›wärmen‹) gehört. Föhn nennt man einen besonders auf der Nord- und Südseite der Alpen auftretenden warmen, trockenen Fallwind, der beim Überströmen der Luft über ein hohes Gebirge entsteht.

Als man Geräte zum Trocknen von Haaren entwickelte, die einen heißen Luftstrom erzeugten, nannte man diese in Anlehnung an den Föhnwind ebenfalls Föhn, schrieb das Wort aber anders (nämlich Fön), um es als Markenzeichen eintragen lassen zu können (so geschehen 1908 für Haartrockner der Firma AEG). Denn normale Wörter der deutschen Sprache sind Allgemeingut; im Gegensatz zu Phantasiewörtern darf sie niemand exklusiv für sich beanspruchen.

Wie öfters bei erfolgreichen Produkten (z. B. bei Papiertaschentüchern oder bei transparentem Klebeband), wurde nach und nach der Markenname zur Sortenbezeichnung: Auch Haartrockner der Konkurrenz bezeichnete der Volksmund bald als Föne und bildete gleich noch ein Verb dazu: fönen. 1996 wurde dann, um eine mögliche orthographische Fehlerquelle zu beseitigen, offiziell festgelegt, dass fortan Föhn zu schreiben sei; nur AEG-Haartrockner heißen weiterhin Fön (bzw. wie seit 1941 als Wort-Bild-Marke eingetragen, FOEN).

Die Rechtschreibreform von 1996 wurde von der Sprachgemeinschaft erst nach einer leidenschaftlich und von vielen (meist Sachunkundigen) geführten öffentlichen Debatte von etwa zehn Jahren Dauer, nach einer Reform-Reform und einer Reform-Reform-Reform weithin akzeptiert. Unser heutiges Wort-Beispiel steht sinnbildlich für das, was mit dem neuen Regelwerk ebenso wie im Streit um dasselbe vor allem produziert wurde: heiße Luft.    ⋄    Jochen A. Bär

(162) 11. Juni – Diamant

Solch ein wunderbares Wort – Diamant! Man sieht vor dem inneren Auge funkelnden, glitzernden Schmuck. Die Märchenbücher sind voll davon: „Kaum hatte die Frau den Wunsch ausgesprochen, so war sie angetan mit dem herrlichsten Kleide, das war überreich besetzt mit Diamanten, Perlen, Gold und Silber, daß es nur so davon starrte“, heißt es beispielsweise bei Ludwig Bechstein.

Diamant, wie heute allgemein bekannt, ist kristalliner Kohlenstoff und das härteste natürliche Material der Welt. Sie entstehen aus normaler Kohle unter extrem hohem Druck, weshalb man sie auch künstlich herstellen kann. Aufgrund ihrer Härte verwendet man Diamanten auch in der Industrie zum Schleifen harter Materialien. Diamanten selbst beispielsweise kann man überhaupt nur mit Diamanten schleifen.

Dass Diamanten von keinem anderen Stoff bezwungen werden können, sagt auch bereits das Wort Diamant. Man muss dazu allerdings einen Blick in die Sprachgeschichte werfen. Die Wurzel ist im Griechischen zu suchen: adámas bedeutet dort so viel wie ›unüberwindlich‹; in dem Wort steckt die verneinende Vorsilbe a- und das Verb damnánai (›besiegen, bezwingen‹). In den so genannten obliquen Kasus – also in allen Fällen außer dem Nominativ – endet der Wortstamm statt auf -s auf -nt (der Genitiv lautet beispielsweise adámantos). Dasselbe gilt für das Lateinische, das adamas in der Bedeutung ›äußerst harter Stoff, Stahl, Diamant‹ aus dem Griechischen entlehnte. Auch das Deutsche hat dieses Fremdwort (als Adamas oder auch als Adamant; beides bedeutet ›Diamant‹). Die Form Diamant ihrerseits geht auf das spätlateinische adimas zurück, eine Variante von adamas, bei der man möglicherweise an die griechische Vorsilbe dia- (›durch, hindurch‹) dachte. Der Gedanke an das schimmernde, gleichsam durchsichtige Material des polierten Diamanten und möglicherweise die Vermutung eines schlichten Buchstabendrehers könnten die Änderung der Wortgestalt beeinflusst haben.

Eine häufige Nebenform zu Diamant ist Demant. Unter anderem Martin Luther verwendet sie. Im 20. Jahrhundert ist sie selten geworden und gilt als poetisch gehoben. Nicht umsonst gibt es just eine Reihe von Belegen in der weihevollen Lyrik Stefan Georges, beispielsweise in seinem Zyklus Das Jahr der Seele: „Ich trat vor dich mit einem segenspruche / Am abend wo für dich die kerzen brannten / Und reichte dir auf einem samtnen tuche / Die höchste meiner gaben: den demanten.“    ⋄    Jochen A. Bär

(163) 12. Juni – Kabuff

Wenn meine Mutter früher zu mir sagte „geh mal in den Kabuff und hole Zwiebeln“, dann wusste ich sofort, wo diese zu suchen sind. Kabuff, das war ein Raum neben der Küche, ohne Fenster, eine Art Abstellkammer. Dort war alles, was man für Küche und Haushalt benötigte.

Kabuff, vorgeschlagen von Alfred Kuhlmann (Ellenstedt), scheint aus dem Mittelniederdeutschen um 1800 zu kommen und eine Bildung zu kuffe (›kleines schlechtes Haus‹) unter dem Einfluss von Kabuse zu sein. Kabuse bedeutet im Niederdeutschen so viel wie ›kleines enges Zimmer‹ oder ›kleine Hütte‹. Als Verkleinerungsform zu Kabuse lässt sich in manchen Wörterbüchern auch Kabäuschen ausmachen. Bedeutungsverwandt sind in der Schifffahrtssprache verwendete Wörter wie Kabine (›kleine Schlafstätte‹) und Kombüse (›kleine Küche meist ohne oder mit nur einem kleinen Fenster‹). Auch im Niederländischen (Kabuys, kombof) und Schwedischen (Kabbysa) finden wir ähnliche Bildungen, die ›hohler Raum‹, ›kleines Haus‹, ›Notküche‹ oder ›Abstellraum‹ bedeuten.

Der Ausdruck Kabuff verweist aber nicht nur auf die Größe von Räumen und Gebäuden, sondern analog zum ursprünglichen kuffe auch auf ihren schlechten, minderwertigen Zustand. Dieser abwertende Bedeutungsanteil von Kabuff wird deutlich, wenn jemand sagt „Was ist das für ein Kabuff“ und meint, dass dieser Raum oder dieses Haus zu klein und in einem schlechten Zustand bzw. von geringwertiger Ausstattung ist. Synonyme wie Bude oder Loch bedeuten Ähnliches. In diesem Sinne wurde die 2013 in den US-Open gescheiterte Tennisspielerin Sabine Lisicki „nach dem Aus auch nicht mehr wie die Stars der Branche im größten Interviewraum mit viel Tamtam befragt, sondern in ein Kabuff abgeschoben, das dem Fußvolk genügen muss“, wie im Tagesspiegel zu lesen ist.

Die Deutsche Welle kürte den Ausdruck Kabuff im September 2012 zum „Wort der Woche“ und schrieb auf Ihrer Internetseite: „Wer ein Kabuff hat, der kann sich freuen.“ Der Rundfunksender bezog sich mit dieser Überschrift auf die Wohnungsnot von Studierenden, von denen sich diejenigen freuen sollten, die in ihrer Wohnung ein Kabuff haben. Diejenigen jedoch, die ein Kabuff als Wohnung beziehen müssen, haben „es weniger gut getroffen“. Dass dabei Kabuff zu einer der Wohnungssituation entsprechenden Bezeichnung für ›studentische Unterkunftsmöglichkeit‹ wird, beweist auch die ironisierende Anzeige eines Berliner Studenten auf einer Internetplattform mit der Überschrift „Neustudent sucht Kabuff für längerfristigen Verbleib“.    ⋄    Christian D. Kreuz

(164) 13. Juni – wähnen

„Mir schwant Unheil“ sagt man, wenn man ein vages Gefühl hat, dass irgendetwas Unerfreuliches geschehen könnte. Wer über die Sprache, insbesondere über den Sinn der Wörter, nachdenkt, hat sich vielleicht schon einmal gefragt, was schwanen für ein merkwürdiges Wort ist. Kommt es von Schwan, und wenn ja, was hat der Schwan mit Unheil zu tun? Glaubte man früher vielleicht, der Vogel sei ein böses Vorzeichen?

Nichts dergleichen. Denn vermutlich wurde mir schwant unter Verschiebung der Wortgrenze zusammengezogen aus dem mittelniederdeutschen mir’s wanet, also ›mir wähnt es, ich vermute, ich glaube‹.

Als historische Grundlage unseres heutigen Wortes lässt sich eine indoeuropäische Wurzel uen- erschließen, die so viel bedeutet wie ›nach etwas streben, etwas erreichen oder haben wollen‹. Auf sie gehen auch andere Wörter in verschiedenen indoeuropäischen Sprachen zurück, so etwa lateinisch venus (›Liebe, Liebesgenuss, Liebreiz, Anmut‹, auch als Eigenname der dafür zuständigen Göttin), deutsch wohnen, gewöhnen, Wonne, Wunsch und wünschen sowie eben Wahn und wähnen.

Die ganz unterschiedlichen Bedeutungen dieser Wörter lassen bei näherem Hinsehen doch einen gemeinsamen Kern, eben den Gedanken des Strebens, erkennen. Dieser wird allerdings jeweils mit zusätzlichen Bedeutungsaspekten angereichert. So steckt in gewinnen ebenso wie in gewöhnen, wohnen und Wonne neben dem Gedanken des Strebens der des erreichten Zieles: die ursprüngliche Bedeutung von gewinnen lässt sich angeben mit ›erfolgreich nach etwas streben‹; in gewöhnen und wohnen ist der bereits erzielte Erfolg, das dauerhafte Sich-Einrichten oder Sich-eingerichtet-Haben im Gewonnenen enthalten; Wonne ist der Gemütszustand, in dem man sich befindet, wenn etwas Erstrebtes erreicht wird: ›Freude, Vergnügen, Beglückung‹.

In Wahn und dem zugehörigen Verb wähnen findet sich demgegenüber der Aspekt der Vergeblichkeit; unter Wahn verstehen wir eine unbegründete Erwartung oder Hoffnung, und unter wähnen das Hegen derselben. Wähnen bedeutet zumeist ›etwas fälschlich annehmen‹: „ich wähnte manchmal, es sei überstanden und ich habe Gnade gefunden vor Gott; aber das war nur selige Täuschung seltener Augenblicke, und schnell alles wieder vorbei“, heißt es beispielsweise bei Joseph von Eichendorff.

Wähnen kann auch so viel wie ›suchend umherirren‹ bedeuten. Über dem Portal der Villa, die der Komponist Richard Wagner sich in Bayreuth vom Geld anderer Leute bauen ließ, steht: „Hier, wo mein Wähnen Frieden fand: Wahnfried sei dieses Haus genannt.“    ⋄    Jochen A. Bär

(165) 14. Juni – verwunschen

Dass Wunsch und wünschen zusammen mit wohnen, gewöhnen, Wonne, gewinnen sowie Wahn und wähnen eine Wortfamilie bildet, hatten wir gestern erzählt.

Wer etwas wünscht, strebt danach, es zu erlangen. In den alten Zeiten, da das Wünschen noch geholfen hat, war hierbei vor allem an Zauberei und übernatürliche Kräfte des Willens gedacht – auch bei der negativen Variante des Wünschens, dem Verwünschen, bei dem jemandem Schlechtes gewünscht, ein schlimmer Wunsch über ihn gesprochen wurde. Dieses Wort, das erst seit dem 16. Jahrhundert literarisch belegt ist, schien anfangs nicht übel auf sich selbst anwendbar zu sein: Es zeigte die unerwünschte Neigung, im Mittelwort der Vergangenheit – zu deutsch: im Perfektpartizip – sowohl schwach (verwünscht) als auch stark (verwunschen) zu erscheinen. Abgesehen davon, dass man eine Vorliebe für die starke Form vor allem in den oberdeutschen Regionen zeigte, wurden beide lange Zeit ohne Unterschied nebeneinander verwendet.

Erst die aufklärerischen Rationalisten des 18. Jahrhunderts verspürten den Wunsch, hier Eindeutigkeit zu schaffen. Diejenige Sprache, wähnten sie, sei die beste, die für jeden Gedanken genau ein Wort habe (und für jedes Wort am besten immer nur eine einzige Bedeutung). Demzufolge schienen zwei verschiedene Wortformen für einen und denselben Gedanken ihnen überflüssig, und sie gebrauchten bevorzugt die schwache Form, weil diese den grammatischen Regeln entsprach. Da sich indes das verwünschte verwunschen auf Dauer nicht unterdrücken ließ, unternahm es das späte 19. Jahrhundert, ihm eine besondere Bedeutung zu geben: Weitgehend unabhängig vom Verb kennt es die Schriftsprache spätestens seit den 1870er Jahren „vor allem um die verträumte Schönheit eines stillen, versponnenen, abgelegenen Winkels zu charakterisieren“.

So nachzulesen mit wünschenswerter Klarheit nirgends anders als bei den Brüdern Grimm. Allerdings nicht in ihrem erfolgreichsten Werk, den Kinder- und Hausmärchen, sondern in ihrem größten, dem Deutschen Wörterbuch. Und um aufrichtig zu sein: in einem Band, der erst lange nach dem Tode der Brüder von einem ihrer Nachfolger verfasst wurde. Denn das Riesenwerk, an dem von 1852 bis 1960 gearbeitet wurde und in dem der heutige Philologe immer noch mit Gewinn liest, vollendet zu sehen, blieb für die Grimms zeitlebens ein unerfüllter Wunsch.    ⋄    Jochen A. Bär

(166) 15. Juni – Busen

„Sie hielten sich fest umschlossen, er fühlte ihr Herz an seinem Busen schlagen“, heißt es in Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. Und in E. T. A. Hoffmanns Nachtstücken: „Doch als das holde Weib ihn mit den vollen schneeweißen Armen umfing, als er sie ungestüm an seinen Busen drückte, da durchbebten ihn süße, nie gekannte Schauer“. Auch bei Theodor Fontane findet man Sätze wie diesen: „Da hat sich der Herr Major eine Schlange an seinem Busen großgezogen.“

Wer so etwas heutzutage liest, wundert sich: Offenbar wird hier gesagt, dass Männer einen Busen haben. Und in der Tat: Wer bei Busen nur an Frauen denkt, irrt. Denn das Wort bedeutete ursprünglich so viel wie ›Wölbung‹, insbesondere ›Wölbung der Brust‹ und konnte sich auf Menschen jedes Geschlechts beziehen.

Die Kenntnis der alten Wortbedeutung ist auch heute nicht ganz verloren. Sie ist beispielsweise vorhanden in der Klasse 4a der Grundschule St. Hülfe-Heede in Diepholz. Die Kinder haben Busen für das „Jahr der Wörter“ vorgeschlagen, „weil damit der Raum zwischen den Brüsten gemeint sein kann“ – also nicht nur die Auswölbung, sondern auch die Einwölbung.

In diesem Sinne kennt man das Wort auch in der Zusammensetzung Meerbusen (›Bucht‹), z. B. beim ostfriesischen Jadebusen. Und man kennt einige andere Wörter, die gleichfalls den Bedeutungsaspekt ›Wölbung‹ aufweisen und denen man mit etwas Phantasie die Verwandtschaft mit Busen auch ansieht: Bauch, Beule und Bausch. Bäuche sind häufig rundlich (der Kolumnist sieht es jeden Morgen im Spiegel; nicht umsonst spricht man in Anlehnung an die Wortbildung Waschbrettbauch, eine Bezeichnung für eine eher unnatürliche Bauchform, vom Waschbärbauch). Die Form von Beulen ist bekannt. Unter einem Bausch versteht man etwas, das sich nach außen wölbt, unter anderem etwas Weiches, Wollartiges, das leicht zusammengeknüllt ist (z. B. einen Wattebausch).

Bis heute geläufig ist die Wendung in Bausch und Bogen (›im Ganzen, insgesamt, ganz und gar, ohne das Einzelne zu berücksichtigen; alles in allem, en bloc‹). So kann man beispielsweise etwas in Bausch und Bogen verurteilen oder ablehnen. Kaum bekannt ist aber die Herkunft der Fügung. Sie stammt aus der Rechts- und Kaufmannssprache und bezog sich ursprünglich auf die Abmessung von Grundstücken. Man tat der Einfachheit halber bei der Berechnung der Grundfläche so, als ob die Grenzlinien gerade seien. Wer einen Acker in Bausch und Bogen kaufte, tat das ohne Rücksicht auf auswärts (Bausch) oder einwärts (Bogen) laufende Grenzabschnitte.    ⋄    Jochen A. Bär

(167) 16. Juni – eifrig

Wir lernen es früh: Eifrig zu sein ist lobenswert. Wer immer eifrig lernt, bringt es im Leben zu etwas. Wer sich um etwas eifrig bemüht, erreicht in der Regel das Ziel. Eifrig bedeutet ›voll Eifer‹, und Eifer steht für ›ernstes, angespanntes Streben, Bemühen‹ (so der große Duden). Ein(e) eifrige(r) Verfechter(in) ist eine Person, die sich nachdrücklich und engagiert für etwas einsetzt. Ein bisschen hat eifrig auch die Assoziation ›brav, beflissen, streberhaft‹. Zu den am häufigsten im Zusammenhang mit eifrig auftretenden Wörter gehören basteln, werke(l)n, hämmern, mitschreiben, nicken und beklatschen.

Interessant ist, dass diese dann aber letztlich doch positiven Bedeutungsaspekte keine Rolle spielen, sobald andere Wortfamilienmitglieder in den Blick kommen. Negativ besetzt sind Eifersucht (›starke, übersteigerte Furcht, jemandes Liebe oder einen Vorteil mit einem anderen teilen zu müssen oder an einen anderen zu verlieren‹) und das zugehörige eifersüchtig. Sucht und süchtig haben nicht mit suchen, sondern mit siech zu tun: Eifer als Krankheit. Ebenfalls in diese Reihe gehört das Verb eifern (›mit leidenschaftlicher Erregung für oder gegen etwas sprechen‹), von dem der Eiferer (›jemand, der – besonders auf religiösem oder politischem Gebiet – fanatisch für eine Idee, Überzeugung eintritt‹) abgeleitet ist. Die weibliche Entsprechung zu Eiferer ist übrigens nicht, wie zu erwarten wäre, Eifererin, sondern Eiferin; auch sie, die ›Fanatikerin‹, wird aber negativ gesehen.

Geht man in die Sprachgeschichte zurück, so stellt man fest, dass auch unser positives eifrig ursprünglich dunkel gefärbt war: Es bedeutete so viel wie ›eifersüchtig‹. In Martin Luthers Übersetzung des Alten Testaments heißt es an bekannter Stelle (2. Mos. 20, 2-5): „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthause, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. [...] Bete sie nicht an und diene ihnen nicht. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied“.

Ein auf Exklusivität pochender Gott also, der sein erwähltes Volk ganz für sich allein haben will. Wie zornig er wird, wenn das Volk die Anweisung nicht befolgt und statt seiner ein goldenes Kalb anbetet, liest man in 2. Mos. 32, 28: „Dreitausend Mann“ müssen über die Klinge springen.    ⋄    Jochen A. Bär

(168) 17. Juni – Steckbrief

Man kennt sie aus Western-Filmen und aus Bahnhofshallen, manchmal findet man sie auch an Rathaustüren und anderen öffentlichen Orten: Steckbriefe. Personen, gegen die ermittelt wird, werden steckbrieflich gesucht. Bei einem Steckbrief handelt es sich um ein Plakat, auf dem (soweit vorhanden) ein Foto oder Phantombild der gesuchten Person und eine Personenbeschreibung sowie eine Erläuterung des Ermittlungsgrundes bekannt gemacht wird.

Die Klasse 7d der Vechtaer Liebfrauenschule, die das Wort für unsere Kolumne vorgeschlagen hat, schreibt dazu: „Wo kommt es her? Wir haben es ausgesucht, weil wir uns gefragt haben, warum es ‚Steck‘-Brief heißt.“

Gute Frage – und um es gleich vorwegzunehmen: Wir haben keine Antwort. Nur Vermutungen.

Erste Vermutung, nachzulesen im Grimm’schen Wörterbuch: „Beliebt ist [...] die Herleitung aus dem Gebrauch der westfälischen Feme, einem Verbrecher den Ladebrief [...] bei Nacht in den Thorriegel des Hofes zu stecken.“ Bereits aus dem Jahr 1325 gibt es eine Quelle, die diesen Sachverhalt erläutert (allerdings ohne das Wort Steckbrief explizit zu verwenden): „so mugent si den brief an die porten, da dan sin wonunge ist, stecken und henken oder under der porten instoizen und hant damit ir botschaft recht und redelichen verkundiget.“

Zweite Vermutung: Es handelt sich um eine „Urkunde, die eine Behörde veranlasst, einen gesuchten Verbrecher ‚ins Gefängnis zu stecken‘“ (so der große Duden). Laut einer Erläuterung aus dem Jahr 1830, die im Deutschen Rechtswörterbuch (Artikel Polizeiobrigkeit) zu finden ist, versteht man unter Steckbriefen „offene, durch Circularien oder im Wege der öffentlichen Blätter erlassene Requisitionen an Gerichts- oder Polizei-Obrigkeiten: auf einen Verbrecher, der sich auf flüchtigen fuß gesetzt hat ... Spähe zu richten“. Bereits aus dem Jahr 1693 stammt folgende Erklärung, die insbesondere den Wortbestandteil Brief nachvollziehbar macht: „Wenn einer sich [...] der Hafft entwirket, werden ihm Steckbrieffe (andere heissen sie Hafft-Brieffe) nachgeschickt“.

Dies ist auch die Position, die sich im vierbändigen Wörterbuch von Johann Christoph Adelung vom Ende des 18. Jahrhunderts findet: Bei Steckbriefen handelt es sich „in den Gerichten“ um „Briefe, welche man an andere Obrigkeiten ergehen lässet, worin man einen entwichenen Übelthäter beschreibt, und selbigen im Betretungsfall anzuhalten und in Verhaft zu nehmen bittet“. Interessant, aber wohl nicht zutreffend ist Adelungs Erklärung des ersten Wortbestandteils: „Die erste Sylbe ist von stöcken, in den Stock oder in das Gefängniß werfen, welches auch häufig stecken geschrieben und gesprochen wurde“.    ⋄    Jochen A. Bär

(169) 18. Juni – schreiten

Wieder einmal ein Allerweltswort, allerdings eines, das man dem gehobenen Sprachgebrauch zurechnen darf: schreiten. Es bedeutet einerseits ›feierlich, in gemessenen Schritten, ruhig gehen‹ (z. B. würdevoll/feierlich/aufrecht/langsam/gemächlich schreiten, an der Spitze des Zuges/durch die Halle/über den Teppich/zum Ausgang schreiten), andererseits ›mit etwas beginnen, zu etwas übergehen, etwas in Angriff nehmen‹ (z. B. zur Wahl/zum Angriff/zur Tat/zum Werk/zu Maßnahmen schreiten).

Das Wort ist – in der Form scrîtan – seit althochdeutscher Zeit bekannt; im Mittelhochdeutschen ist es als schrîten belegt. Es geht vermutlich zurück auf eine indoeuropäische Wurzel mit der Bedeutung ›drehen, biegen, kreisend bewegen‹, die auch den Wörtern schräg und Schranke zugrunde liegt. Die Grundbedeutung von schreiten war wohl ›eine bogenförmige Bewegung machen, gleiten‹ (insbesondere auf die Fortbewegungsart eines Wurms oder einer Schlange, auch eines Schiffs bezogen). Der Aspekt der gleichmäßig-ruhigen Bewegung konnte aber auch beim menschlichen Gehen bemerkt werden, und lediglich in diesem Zusammenhang ist das Wort schreiten bis heute erhalten geblieben.

Wörter, die der gehobenen Stilebene angehören, fallen leicht der Ironisierung anheim. Denn sie schaffen Distanz, was in einer Zeit, in der alles unkompliziert sein soll, befremdlich wirkt. So wie immer mehr Leute keinen Wert mehr auf Titel (meist auf die anderer Leute) legen, so gilt es als demokratisch, in der Ausdrucksweise mit allen „auf Augenhöhe“ zu sein – auch wenn man dazu in die Knie gehen muss. Schreiten ist ein Wort, das sich für leichtes, elegantes Kniebeugen eignet. Besonders dort, wo es mit anderen Wörtern oder mit Wortelementen zusammen auftritt. Einherschreiten (›voran-, vorwärtsgehen‹) beispielsweise kann man heute fast nicht mehr ernsthaft gebrauchen, und auch mit entschreiten (›weggehen‹) erzielt man einen komischen Effekt.

Niemand wusste das besser als Christian Morgenstern: „Palmström steht an einem Teiche / und entfaltet groß ein rotes Taschentuch: / Auf dem Tuch ist eine Eiche / dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch. // Palmström wagt nicht sich hineinzuschneuzen – / er gehört zu jenen Käuzen, / die oft unvermittelt-nackt / Ehrfurcht vor dem Schönen packt. // Zärtlich faltet er zusammen, / was er eben erst entbreitet. / Und kein Fühlender wird ihn verdammen, / weil er ungeschneuzt entschreitet.“    ⋄    Jochen A. Bär

(170) 19. Juni – Fronleichnam

Das Fest, das in der katholischen Kirche am zweiten Donnerstag nach Pfingsten gefeiert (in Niedersachsen und anderen Bundesländern, in denen es nicht auch ein gesetzlicher Feiertag ist, aber erst am darauffolgenden Sonntag mit Prozessionen begangen) wird, trägt einen auf den ersten Blick seltsamen Namen, der sogar zu einer ziemlich respektlosen Umdeutung (halb englisch, halb deutsch) geführt hat, die hier nicht wiederholt, wohl aber erläutert werden soll.

Der erste Bestandteil, Fron, kommt, wie uns der Universalduden belehrt, im heutigen Deutsch nur noch als geschichtsbezogenes Spezialwort vor (mit der Bedeutung ›in körperlicher Arbeit bestehende Dienstleistung der Bauern für ihre Lehnsherren‹) oder aber auf gehobener Stilebene mit der Bedeutung ›als unerträglicher Zwang empfundene Arbeit‹. Und der zweite Bestandteil, Leichnam, bedeutet so viel wie ›lebloser Körper, sterbliche Hülle eines verstorbenen Menschen‹. Wie nun diese beiden Teile der Zusammensetzung Fronleichnam in Beziehung zu setzen sind, ist denen, die sich mit der Geschichte der deutschen Sprache nicht so gut auskennen (und das dürfte der weitaus überwiegende Teil der Sprachteilhaber sein) und die auch religiös eher indifferent sind, schleierhaft. Also kommt es zu der scherzhaften bis respektlosen Umdeutung: Fron wird als das ähnlich klingen­de Adjektiv („Eigenschaftswort“) frohen/froh’n gedeutet (englisch happy), Leichnam wird wörtlich verstanden (›Lei­che, toter Körper‹), und der Leiche wird die im Vorderglied vermutete Eigenschaft, froh zu sein, zugesprochen.

Dabei ist das Fronleichnamsfest ein Hochfest der katholischen Kirche, mit dem, wie es in der Wikipedia heißt, „die leibliche Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie [›Abendmahl‹] gefeiert wird“. Als dieses Fest im Hochmittelalter im Bistum Lüttich erstmals gefeiert (1246) und wenig später (1264) zum Fest der Gesamtkirche erhoben wurde, erhielt es bei uns den mittelhochdeutschen Namen der vrône lîcham, wörtlich ›dem Herrn (Gott, Christus) gehörender Leib/Körper‹. vrôn (jetzt mit f geschrieben) war ein Adjektiv zum Substantiv („Hauptwort, Nomen“) frô, das ursprünglich ›Herr‹ bedeutete und im religiös-christlichen Gebrauch zur Anrede Gottes verwendet wurde. Und lîch(n)am/Leichnam bezeichnete, wie in Pfeifers Etymologischem Wörterbuch zu lesen ist, „als ein Ausdruck der Dichtersprache ... im Sinne von ›Leibeshülle‹ ursprünglich den lebenden (noch bis ins 17. Jahrhundert) wie den toten Körper“. Die sich im Gegenwartsdeutsch einstellende Assoziation mit Leblosem, Totem findet sich in der lateinischen Urform des Festnamens nicht: Sollemnitas Sanctissimi Corporis et Sanguinis Christi (›Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi‹), kurz Corpus Christi. Sie findet ihre Fortsetzung in einigen romanischen Sprachen und im Englischen: (día del) Corpus (Christi) (spanisch), Corpus Domini (italienisch), Corpus Christi (portugiesisch, englisch).

Noch einmal zurück zu Fron (das Jacob Grimm im Deutschen Wörterbuch übrigens noch mit h schrieb): Aus demselben Stamm ist das Wort frouwe abgeleitet (seit dem 9. Jahrhundert); Frau bedeutet also ursprünglich so viel wie ›Herrin‹.    ⋄    Wilfried Kürsch­ner

(171) 20. Juni – Grenze

Wer heute nach Paris oder Prag, nach Lissabon oder Ljubljana, nach Rom oder Riga fährt oder fliegt, nimmt sie kaum noch wahr: die Grenzen. Durch das Schengener Abkommen wurden seit 1985 nach und nach die Personenkontrollen an den Binnengrenzen der meisten europäischen Staaten abgeschafft, so dass man ohne Aufenthalt von einem Land in das andere reisen kann. Die sich ängstlich abschottenden Gegner von einst sind echte Nachbarn geworden, die sich nicht nur über den Zaun hinweg flüchtig grüßen, sondern die Zäune entfernt haben, um sich gegenseitig ungehindert besuchen zu können.

Man sieht es ihm nicht mehr an, weil es in Aussprache und Schreibung völlig eingedeutscht ist, aber es stimmt: Grenze ist ein Ausdruck, der über die Grenze kam. Bereits im 13. Jahrhundert wurde es aus einer der slawischen Sprachen entlehnt; polnisch granica, und tschechisch hranica sind Beispiele dafür, wie das Wort in der slawischen Sprachfamilie erscheint. Es verdrängte nach und nach das einheimische Mark (›Grenze, Grenzgebiet‹), das nur in Landschaftsnamen (z. B. Mark Brandenburg) erhalten blieb und in Wortbildungen wie Gemarkung (›ab-, eingegrenztes Gebiet‹) oder Markgraf (ehemals ein Graf, der ein Grenzland zu Lehen erhielt, für dessen Verteidigung er dann zu sorgen hatte).

Grenze und seine slawischen Entsprechungen bedeuteten ursprünglich ›Ecke, Kante, Rand‹. Sie gehören zu einem indoeuropäischen Wortstamm mit der Bedeutung ›spitz sein, heraus-, hervorragen, hervorstechen, emporsprießen‹, der auch bei Grat (›Bergrücken‹), Gräte, Granne (›Borste an der Kornähre‹), Gras und grün zugrunde liegt. Grünen, wie bereits am 7. Januar in unserem Beitrag Grünkohl erläutert, bedeutete ursprünglich ›sprießen‹ und wurde dann zur Bezeichnung der Farbe sprießender Pflanzen.

Wer sich an die Grenzkontrollen von früher erinnert oder wer in ein Land reist, das nicht zum Schengen-Raum gehört, stellt fest, dass Grenzen vor allem eins sind: ärgerlich. Sie sind Hindernisse nicht nur der Bewegung von A nach B, sondern oft genug auch des Denkens. Europa-Kritik gehört in Europa heutzutage fast schon zum guten Ton, wie erst kürzlich wieder die Wahlen zum europäischen Parlament gezeigt haben. Manche fordern gar, die Grenzen wieder zu schließen „dicht zu machen“). Eine doch recht begrenzte Sicht auf die großartigen Errungenschaften – unter anderem fast 70 Jahre ohne Krieg mit unseren Nachbarn –, die wir der europäischen Idee zu verdanken haben.    ⋄    Jochen A. Bär

(172) 21. Juni – Fußball

Was ist Fußball?

Fußball ist es, wenn das Runde in das Eckige muss.

Fußball ist es, wenn 22 Leute einem Lederdingsda hinterherrennen und Hunderttausende nichts Besseres zu tun haben, als 90 Minuten dabei zuzugucken. Oder 120 Minuten. Oder ...

Fußball ist es leider auch, wenn Idioten in Stadien mit Feuerwerkskörpern um sich werfen oder in Innenstädten randalieren.

Und Fußball ist es, wenn das „Poldi-Selfie mit der Kanzlerin“ Nachrichtenwert hat. (Nach dem WM-Spiel gegen Portugal am vergangenen Montag twitterte Lukas Podolski ein Foto, das er mit seinem Handy von sich selbst – Selfie: neudeutsch ›Selbstportrait‹ – und der ihn knuddelnden Kanzlerin geschossen hatte.)

Fußball ist, wenn die deutsche Sprache bereichert wird: Klinsmänner (lange her) Jogis Jungs, Fanmeile, Vuvuzela, Schlaaaand! – aber auch hoyzern (nach dem Schiedsrichter Robert Hoyzer, der sich bestechen ließ und Spiele manipulierte; zum Glück ebenfalls lange her). Wie kreativ wir sind, wenn es um Fußball geht, zeigt der Ausdruck Public Viewing. Hierzulande bedeutet es, dass sich größere bis riesengroße Mengen von Menschen auf Plätzen treffen, um auf Breitwandbildschirmen gemeinsam Fußballspiele anzusehen. Wort und Sache sind bekannt seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Im Englischen bedeutet public viewing ›öffentliche Leichenschau‹. Eigentlich ist also unser Public Viewing keine Wortentlehnung aus dem Englischen, sondern eine Neubildung mit englischem Wortmaterial – eine so genannte Hybridbildung ähnlich wie Handy (›Mobiltelefon‹), ein Wort, das es im Englischen zwar gibt, das aber ebenfalls etwas ganz anderes bedeutet (›geschickt, handlich, nützlich‹). Auf Englisch heißt das Handy mobile phone oder cell(ular) phone, allenfalls noch hand phone.

A propos Wort: Das Wort Fußball, für unsere Kolumne vorgeschlagen von der Klasse 1b der Kardinal-von-Galen-Schule in Dinklage, besteht aus Fuß (›unterster Teil des Beins‹) – dieses Wort ist urverwandt mit griechisch pous (›Fuß‹), das unserem Podium zugrunde liegt, und mit lateinisch pes (›Fuß‹), das in Pedal steckt –, und aus Ball (›kugelförmiges Ding‹). Mit dem ersten kickt man das zweite. Ball, ein germanisches Wort, ist nicht zu verwechseln mit dem ausdrucksgleichen Ball (›Tanzfest‹), das aus dem Romanischen entlehnt ist.

Fußball ist ... in Deutschland ein Spitzensport, aber auch ein Breitensport. Für viele ist es ein Lebensinhalt, sei es selbstspielender- oder zuschauenderweise. Zum Beispiel heute Abend wieder. Drücken wir Jogis Jungs – unseren Jungs – gegen Ghana die Daumen!    ⋄    Jochen A. Bär

(173) 22. Juni – Gemüt

Fragt man nach Wörtern mit Bedeutungen, die es nur im Deutschen gibt, so hört man neben Fernweh sehr oft Gemütlichkeit. Da man für den damit gemeinten Sachverhalt beispielsweise im Englischen und im Französischen tatsächlich kein adäquates Wort kennt, entlehnt man den deutschen Ausdruck: the German gemütlichkeit bzw. la gemütlichkeit.

Gemütlichkeit bedeutet laut Wikipedia „eine dem Menschen freundliche, warme Atmosphäre und Umgebung, in der man sich wohlfühlt. Sie ist gekennzeichnet von Ausgeglichenheit, Geborgenheit, Konfliktfreiheit und Sorglosigkeit. Sie bringt Ruhe in die Hektik. Gemütlichkeit verträgt keine Aufregung, keinen Streit, keine sich aufdrängenden Sorgen. Sie ist auch unvereinbar mit gleichzeitiger schwerer Arbeit, die zwar zu Gemütlichkeit führen kann, aber selbst keine darstellt. In der Kunst kann die Darstellung von Gemütlichkeit bzw. Konfliktfreiheit kitschig wirken.“

In dem Wort steckt als Grundwort Gemüt, das zusammen mit dem Adjektiv gemütlich für unsere Reihe von Dr. Helmut Gross (Universität Vechta) vorgeschlagen wurde. Gemütlich war zudem auch ein Vorschlag der Klasse 1b der Kardinal-von-Galen-Schule in Dinklage. Den Kindern fiel dazu ein: „Kuschelstunde mit Mama und/oder Papa auf dem Sofa/im Bett“.

Das bereits im Mittelhochdeutschen (als gemüete) bekannte Wort Gemüt bedeutet ›Gesamtheit der seelischen Empfindungen und der Gedanken, der psychischen und geistigen Kräfte eines Menschen‹ (jemand hat beispielsweise ein sanftes, zartes, tiefes, trauriges, sonniges oder kindliches Gemüt). Hat jemand viel Gemüt, so bedeutet es ›Empfindungsvermögen; Empfänglichkeit für gefühlserregende Eindrücke‹. Eine Person, der man ein bestimmtes Gemüt zuschreibt, kann hinsichtlich dieser Tatsache ihrerseits Gemüt genannt werden: Jemand ist ein heiteres/offenes/simplesGemüt.

Gemüt ist eine Kollektivbildung („Sammelbezeichnung“) zu dem einfachen Mut, das hier in der älteren und weiteren Bedeutung ›Stimmung, Seelenzustand‹ vorliegt. Jemand ist beispielsweise guten oder fröhlichenMutes, hat oder fasst frischen Mut. Die Fügung kühner Mut macht nachvollziehbar, wie es zu der engeren Bedeutung ›Tapferkeit, Furchtlosigkeit‹ kommen konnte.

In der Philosophie der Aufklärung und des deutschen Idealismus wurde die Zusammensetzung Gemütskraft zum Terminus: Unter Gemütskräften verstand man die einzelnen geistig-seelischen Vermögen des Menschen, beispielsweise Vernunft, Verstand, Einbildungskraft, Urteilskraft, Begehrungsvermögen und die Fähigkeit, Lust oder Unlust zu empfinden.    ⋄    Jochen A. Bär

(174) 23. Juni – Charisma

Dem großen Duden zufolge bedeutet Charisma zweierlei: erstens ›Gesamtheit der durch den Geist Gottes bewirkten Gaben und Befähigungen des Christen in der Gemeinde‹ und zweitens ›besondere Ausstrahlung(skraft) eines Menschen‹. In der ersten Bedeutung geht es auf den Apostel Paulus zurück, bei dem das griechische chárisma im Sinne von ›gottgegebenes Talent zu etwas‹ mehrfach belegt ist. Da verschiedene Menschen unterschiedliche Talente haben, kann Charisma auch im Plural vorkommen: Charismata oder (eingedeutscht) Charismen.

In der zweiten Bedeutung wurde das Wort durch den Soziologen Max Weber (1864–1920) bekannt gemacht, der Charisma als eine Herrschaft legitimierende Eigenschaft ansah. Kurz gesagt: Er vertrat das „Führerprinzip“.

Heutzutage ist Charisma zweierlei: ein Hochwertwort – wer nach Ansicht anderer Charisma hat, wird positiv gesehen, bewundert, genießt Vertrauen (manchmal blindes) usw. – und ein Nullwertwort. Barack Obama hat(te) Charisma, Karl-Theodor zu Guttenberg ebenfalls, Papst Johannes Paul II., Papst Franziskus und der Dalai Lama haben Charisma, Angela Merkel, Christian Wulff und Benedikt XVI. nicht (obwohl man auch Aussagen findet, denen zufolge sie es doch haben). Boris Becker hat Charisma (oder auch nicht). Popstars und Filmschauspielerinnen haben Charisma; Hitler und Goebbels hatten Charisma – woran man schon merkt, wie problematisch die Kategorie ist, denn sie impliziert Begeisterungsfähigkeit als solche: wofür auch immer. Prüft man die Gesamtheit aller Zuschreibungen, so stellt man fest: Charisma wird so vielen völlig unterschiedlichen Personen aus so unterschiedlichen Gründen beigelegt, dass es als reines „Plastikwort“ (Uwe Pörksen) erscheint: dehnbar und verformbar in jede Richtung, eine bunte Hülse, in die man letztlich alles stecken kann, vom Dynamit bis zur Schlaftablette.

Charisma ist ein klassisches Beispiel für etwas, das es nur dadurch gibt, dass Menschen davon sprechen, und nur auf die Art, wie darüber gesprochen wird. Daher ist es ein spannender Gegenstand für sprachwissenschaftliche Untersuchungen – für eine Sprachwissenschaft, die sich nicht nur für Grammatik und Rechtschreibung interessiert, sondern sich als Kulturwissenschaft im vollen Sinne versteht.    ⋄    Pamela Steen

(175) 24. Juni – hurtig

Oje, schon wieder eine Woche um ... und die OV-Redaktion braucht Nachschub für die Kolumne. Hurtig ein weiteres Wort auf unserer Liste vorgenommen!

Hurtig – ein merkwürdiges Wort. Der große Duden erläutert es als ›schnell, flink und mit einer gewissen Behändigkeit tätig, sich (auf ein Ziel) bewegend‹; im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm findet man unter anderem die Bedeutungsangaben ›flink auf den Beinen, schnellen Laufes‹ und ›gewandt in Erfinden und Reden‹. Redewendungen wie ein hurtiger Kopf, ein hurtiger Verstand, ein hurtiges Gemüt waren früher möglich, klingen heute jedoch veraltet.

Das Adjektiv („Eigenschaftswort“) hurtig kommt von dem mittelhochdeutschen Wort hurt(e) (›Stoß, Anprall‹) und ist aus dem Altfranzösischen entlehnt; dort bedeutet das Verb („Zeitwort“) hurter so viel wie ›stoßen‹. Es geht seinerseits zurück auf das altnordische hrutr (›Widder‹), das mit Horn und Hirn verwandt ist und ursprünglich ›gehörntes Tier‹ bedeutete. Ursprünglich verstand man also unter hurter ›stoßen wie ein Widder‹.

Noch heute kennt man im Französischen heurter und im Englischen to hurt (beides bedeutet ›verletzen‹). Im Mittelalter war der buhurt, in dem hurt ebenfalls steckt, neben der turnei und dem tjost eine Form des ritterlichen Kampfspiels, bei dem die Beteiligten mit Waffen aufeinander losrannten bzw. zugaloppierten.

Das Mittelhochdeutsche leitete von dem Substantiv („Hauptwort“) hurt(e) auch ein Verb hurten (›kampfweise gegen jemanden anrennen‹) ab. Ebenfalls verwandt ist das landschaftliche hürzen oder hurzen (›rennen, gegen jemanden oder etwas anrennen wie ein Bock oder Widder‹). Ob an dieses Wort bei Hape Kerkelings bekanntem Ulk-Gesang Hurz! zu denken ist (immerhin ist es dort das Lamm, das „hurz!“ schreit), lässt sich nur mutmaßen.

Neben hurten kannte das Mittelhochdeutsche zu allem Überfluss noch ein – nicht verwandtes – Verb hurren (›sich schnell bewegen‹), das auf die lautmalende Interjektion (das „Ausrufwort“) hurr! zurückgeht und heute noch in unserem hurra! steckt. Aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit konnte hurren und hurten leicht verwechselt werden, besonders in der Vergangenheitsform: Der ritter hurrte und der ritter hurtete bedeutet jeweils Ähnliches, und das doppelte te in hurtete konnte leicht zu hu(r)rte zusammengezogen werden.

Liest man in einem zeitgenössischen Roman also beispielsweise: „do hurte mänlich der küng Diomedes wider den küng Priamus“, so weiß man nicht mit Sicherheit, welches der beiden Verben gemeint ist. Immerhin weiß man, worum es inhaltlich geht: Der eine König greift den anderen an, oder auch: Es geht hurtig zu.    ⋄    Jochen A. Bär

(176) 25. Juni – Achtsamkeit

Von meinem Kollegen Prof. Dr. Peter Kaiser (Universität Vechta) stammt der Vorschlag Achtsamkeit. Ein schönes Wort, weil der Sinn schön ist: Achtsam bedeutet ›aufmerksam, wachsam, sorgfältig‹, und Achtsamkeit die entsprechende Wesensart, das Achtsamsein: Aufmerksamkeit, Sorgfalt, insbesondere Behutsamkeit und Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen. Der Grundbestandteil Acht (ebenfalls zu finden in Acht geben oder sich in Acht nehmen) geht zurück auf ein germanisches Wort, das im Gotischen als aha (›Sinn, Verstand‹) belegt ist. Ebenfalls im Gotischen – einer mit dem Deutschen verwandten Sprache, die noch im 17. Jahrhundert auf der Krim gesprochen wurde, heute aber ausgestorben ist – gibt es ein mit aha zusammenhängendes Verb („Zeitwort“) ahjan (›meinen‹). Nicht zu verwechseln ist das gleichlautende, aber auf einen anderen Stamm zurückgehende Acht (›Recht und Friedlosigkeit‹: jemanden in Acht und Bann tun, die Acht über jemanden verhängen usw.), das in ächten steckt; und ein wiederum anderer Stamm liegt bei dem Zahlwort acht zugrunde.

Achtsamkeit ist eine wichtige Eigenschaft, nicht nur im Umgang mit anderen Menschen, sondern gegenüber allem, womit man zu tun haben kann. Der Philosoph Martin Heidegger schrieb vom „Seinlassen des Seienden“ und meinte damit die Bereitschaft, den Dingen ihr eigenes Recht zu lassen (d. h. sie sich nicht rücksichtslos anzueignen). Die Kirche mahnt uns zur „Bewahrung der Schöpfung“. Das heute allenthalben zu hörende Schlagwort Nachhaltigkeit fordert ebenfalls nichts anderes ein als einen achtsamen Umgang mit den Energieressourcen.

Achtsamkeit: um sie geht es auch dem Sprachwissenschaftler in Bezug auf die Sprache. Denn diejenige Sprache ist gute Sprache, die (bed)achtsam verwendet wird. Nicht nur in dem Sinne, dass man Rechtschreibungs-, Grammatik- oder Ausdrucksfehler vermeidet (und schon gar nicht, dass man diejenigen anderer bekrittelt), sondern in dem Sinne, dass man weiß, was man tut. Regeln zu kennen ist wichtig – damit man sie, wo es angemessen scheint, auch mal bewusst ignorieren kann. Dann sind nämlich die Fehler keine Fehler, sondern stilistische Freiheiten.

Achtsamkeit für die Sprache ist das größte Anliegen der Gesellschaft für deutsche Sprache. Ein „Zweig Vechta“ dieser weltweit tätigen Gesellschaft wird heute Abend im Museum im Zeughaus gegründet. Er wird öffentliche Vorträge und andere Veranstaltungen rund um die deutsche Sprache organisieren. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.    ⋄    Jochen A. Bär

(177) 26. Juni – trivial

Manche Wörter können persönliche Freunde werden. Man verbindet mit ihnen Erinnerungen an bestimmte Personen oder auch konkrete Situationen. Das Adjektiv („Eigenschaftswort“) trivial gehört für mich dazu. Eine Klassenkameradin von mir, die ich heimlich verehrte, hatte einmal beiläufig bemerkt, dass es ihr Lieblingswort sei, weil es so Plattes bedeute wie ›durchschnittlich, alltäglich, gewöhnlich‹ und dabei gleichzeitig so vornehm klinge. Für mich war das Wort bis dahin eines unter vielen gewesen; von da an begrüßte es mich stets mit der Erinnerung an die Situation, in der ich es damals – wir waren fünfzehn oder sechzehn – gehört hatte. Zumal ich rückblickend sagen muss, dass das Wort zu meiner Schulkameradin durchaus passte: Sie wirkte auch immer ein bisschen vornehm, war dabei aber doch, wie ich mir nach und nach eingestand, menschlich eher durchschnittlich.

Schaut man ins Wörterbuch – zur Abwechslung mal in den großen Wahrig, der eine gute Alternative zum Duden darstellt –, so liest man dort, dass trivial ein bildungssprachlicher Ausdruck ist und zwei Bedeutungen hat: ›gewöhnlich, ohne wertvollen Gehalt‹ und ›platt, abgedroschen, bis zum Überdruss bekannt, seicht‹.

Das Wort ist vom lateinischen trivium abgeleitet, das wörtlich ›dreifacher Weg‹ oder auch ›Ort, an dem drei Straßen zusammentreffen‹ bedeutet – eine Art Kreuzung also, ein viel begangener Weg. Insbesondere verstand man im Mittelalter unter dem trivium die drei ersten der sieben freien Künste (septem artes liberales): Grammatik, Rhetorik und Dialektik (Logik). Mit anderen Worten: die Kunst, sprachrichtig, gut und zutreffend zu reden. Zusammen mit vier anderen „Künsten“, nämlich der Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik, die das so genannte quadrivium bildeten, waren die artes liberales der Grundstock jedes universitären Studiums und die Vorbereitung auf eine der drei Wissenschaften, die man damals studieren konnte. Theologie, Jura und/oder Medizin. (Jura ist die Mehrzahl von Jus ›Recht‹: man studierte verschiedene Rechtssysteme.)

Trivial war demnach das, was alle lernten – auch diejenigen, die nur die Grundausbildung absolvierten und nicht in der Wissenschaft bleiben wollten. Es war nichts Besonderes, sich im trivium auszukennen. Platt und wertlos waren die Inhalte aber deshalb trotzdem nicht: Diese Bedeutung, die beispielsweise in der Wortbildung Trivialliteratur erkennbar wird, nahm das Wort trivial erst später an.    ⋄    Jochen A. Bär

(178) 27. Juni – Reiselust

Sommerzeit, Reisezeit – das ist längst vorbei. Seit Jahrzehnten verreisen die Deutschen zu jeder Jahreszeit. Im Winter anscheinend sogar besonders: ab in wärmere Gefilde. Die Reiselust (für unsere Kolumne vorgeschlagen von Harald Rösler aus Steinfeld) scheint hierzulande riesengroß und ungebrochen, wie die unvermeidlichen kilometerlangen Staus zu Beginn vieler Ferien und zu deren Ende („Rückreisewelle“) zeigen. Oder die überfüllten Züge, in denen dann zielsicher die Klimaanlagen ausfallen und Menschen kollabieren. Oder die berüchtigten Stellwerkausfälle bei der Deutschen Bahn, wenn alle drei Weichensteller auf einmal in Urlaub sind und der vierte sich krank meldet. Von den streikbedingten Unwägbarkeiten im Flugverkehr gar nicht zu reden. Verreisen ist also eigentlich überhaupt keine Lust; verreist sein hingegen ist schön, und das lässt die meisten trotz aller zu erwartenden Unbilden des Unterwegsseins immer wieder gern zum Koffer greifen.

Das Wort Lust hatten wir bereits in unserem Beitrag Nr. 97 (7. April) erläutert. Das Wort Reise ist nicht minder spannend. Es bedeutete ursprünglich ›Heerfahrt‹, also die Tatsache, dass eine größere Menge von Kriegsleuten – die Reisigen – zum Kampf aufbrach. Das zugehörige Verb („Zeitwort“) reisen bedeutete ›aufstehen, sich erheben, sich in Bewegung setzen‹ und ist verwandt mit dem gleichbedeutenden englischen to rise. Der seemännische Weckruf reise, reise! ist ebenfalls die Aufforderung zum Aufstehen.

Interessanterweise bedeutete reisen aber nicht nur die Bewegung von unten nach oben, sondern konnte auch für die entgegengesetzte Bewegung stehen. In dieser Verwendung ist es verwandt mit Wörtern wie rieseln und rinnen und auch dem lateinischen rivus (›Bach‹), von dem wiederum englisch river (›Bach, Fluss‹), französisch rivière (›Fluss‹), rivage (›Ufer‹) und einige andere Ausdrücke kommen. Selbst das Wort Rivale gehört in diese Wortsippe: Es bedeutete ursprünglich den ›Bachnachbarn‹, also den an der Nutzung eines fließenden Gewässers Mitberechtigten. Dass aus einer solchen gemeinsamen Nutzungssituation leicht Streit entstehen und Rivale daher die Bedeutung ›Gegner, Gegenspieler, Nebenbuhler‹ annehmen konnte, liegt auf der Hand.

Das Wort Reiselust hat übrigens auch seinen Platz in der Literatur. So hat in Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“ (1912) die Hauptfigur Gustav Aschenbach zu Beginn einen Anfall von Reiselust und entschließt sich, nach Venedig zu reisen. Wie die Geschichte ausgeht, verrät der Titel.

Na, immer noch Lust zu verreisen?    ⋄    Jochen A. Bär

(179) 28. Juni – Lulatsch

Dass es Wörter gibt, deren Ursprung man nicht kennt, ist für den Sprachwissenschaftler immer etwas peinlich. Es hat aber keinen Sinn, darum herumzureden. Man kann wohl ein paar Mutmaßungen anstellen, aber letztlich bleibt es dabei: Herkunft ungewiss.

Das gilt auch für unser heutiges Wort Lulatsch, das von der Klasse 6b der Vechtaer Liebfrauenschule für unsere Kolumne vorgeschlagen wurde. Die Kinder haben uns eine ziemlich schwierige Aufgabe gestellt, denn nicht nur, dass die Herkunft ungeklärt ist – das Wort als solches sucht man in etlichen der sonst zuverlässigen Wörterbücher vergebens. Weder das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm noch das Etymologische Wörterbuch des Deutschen von Wolfgang Pfeifer hat einen entsprechenden Eintrag. Der Etymologie-Duden, immerhin, bringt das Wort mit latschen (›langsam, schlurfend gehen‹) in Zusammenhang, kann aber die erste Silbe nicht erklären.

Ob das umgangssprachliche Lulatsch – es bedeutet ›schlaksiger, hoch aufgeschossener (junger) Mann‹ – wirklich mit latschen zusammenhängt, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Das Wörterbuch der deutschen Umgangssprache von Heinz Küpper versucht eine Deutung, wonach Lulatsch zunächst ›langsamer, träger, arbeitsscheuer Mann‹ oder auch ›Müßiggänger‹ bedeutete; das Wort sei „wahrscheinlich zusammengewachsen“ aus loi (›lau‹) oder lui (›faul, träge‹) und Laatsch (›Spaziergang, Streifzug durch das Gelände auf der Suche nach beschaffungswürdigen Dingen‹). Langer Lulatsch (›großwüchsiger Mann mit ungelenken Bewegungen‹) ist angeblich seit dem 19. Jahrhundert belegt.

Unsere frühesten Belege für das Wort stammen aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Der Chirurg Carl Ludwig Schleich berichtet in seiner Autobiographie (erschienen 1921) über die Gottesdienstbesuche seiner Kindheit, „daß wir Uebermütigen bei den langatmigen Passagen des ‚Halle-lu-lu-lu-lu-lu-ja!‘ stets ganz frech ‚Langer-lu-lu-lu-lulatsch!‘ in die Figuration von Orgel und Orchester hineinschmuggelten“. Und 1924 schreibt Kurt Tucholsky: „Frühling – das ist bei uns […] eine dumme Sache: in hellblauen Lachen lärmen die Spatzen, alles ist grien, und der Lenz, der lange Lulatsch, stelzt durch den Laden und ist lieblich. Feu!“

Möglicherweise erklärt sich die erste Silbe von Lulatsch auch ähnlich, wie es der Grimm bei dem Wort Lilaps (›Narr, Tölpel‹) versucht: „ablautspielend“, also aus Freude am Wortlaut. Das Wort schlackert klanglich sozusagen hin und her, so wie der dadurch bezeichnete lange, schlaksige Mensch mit den Gliedern.    ⋄    Jochen A. Bär

(180) 29. Juni – schnoddrig

Schnoddrig oder schnodderig – ein Vorschlag von Dr. Sigrid Heising für unsere Kolumne – bedeutet, dem großen Dudenwörterbuch zufolge, so viel wie ›provozierend lässig, großsprecherisch, den angebrachten Respekt vermissen lassend‹. Man spricht beispielsweise von einem schnodd(e)rigen Ton oder einer schnodd(e)rigen Art.

Das Wort leitet sich ab von dem Substantiv („Hauptwort“) Schnodder, auch bekannt als Schnoder, Schnudder, Schnud(d)el o. ä., das ›Nasenschleim, Rotz‹ bedeutet. In der Tat ist ein Synonym zu schnodd(e)rig (ein Wort mit gleicher Bedeutung) rotzig bzw. rotznäsig.

Doch was hat der Naseninhalt mit Respektlosigkeit zu tun, warum sagt man beispielsweise auch von einem unverschämten Menschen (meistens von einem Jugendlichen oder von einem Kind), er sei eine Rotznase?

Auch dafür liefert der große Duden die Erklärung: Dies werde „ursprünglich von jemandem gesagt, der so unerfahren, jung ist, dass er sich noch nicht einmal die Nase selbst putzen kann und schon deswegen nicht mitreden sollte“. Man erfährt sodann noch, dass das Wort schnodd(e)rig „umgangssprachlich abwertend“ sei.

In der Tat: Jemandem schnodd(e)rig zu begegnen, kann verletztend sein. „An dem Abend empfand ich die schnodderigen Redensarten der Herren wie Peitschenschläge ins eigene Gesicht“, schreibt die Kellnerin Mieze Biedenbach 1906 in ihrer Autobiographie.

Jemand, der schnodd(e)rig ist, kann aber durchaus auch als – auf eine etwas derbe Art – liebenswert erscheinen: „Als der Herbst noch milde war, lernte ich im Tiergarten eine junge Gouvernante kennen, ein richtiges schnodderigfideles Berliner Kind, das mir späterhin sehr amüsanten Unterricht im Spreeländer Dialekt erteilte.“ (Ludwig Ganghofer.)

Schnodd(e)rig zu sein, bringt insgesamt offenbar mehr Sympathie als Abneigung. So wird beispielsweise Friedrich II. von Preußen, der „Alte Fritz“ in Wilhelm Raabes Roman Stopfkuchen als schnodderig geschildert: „Bitte, nenne mir einen andern aus der Welt Haupt- und Staatsaktionen, der für unsereinen etwas Sympathischeres als der an sich haben kann! [...] Mit seinem Krückstock, seiner Nase voll Schnupftabak [...] – scharfklingig, frech und spitzig, was man jetzt schnodderig nennt, gegen die allerhöchsten Damen, Frau Marie Therese, Frau Elisabeth, Frau Jeanne-Antoinette“.

Es geht darum, dass Friedrich II. sich in den Schlesischen Kriegen einer Koalition zwischen Österreich (Kaiserin Maria Theresia), Russland (Zarin Elisabeth) und Frankreich (Jeanne-Antoinette Poisson, Marquise de Pompadour, die Maitresse König Ludwigs XV.) gegenübersah, gegen die er sich „rotzfrech“ behauptete.    ⋄    Jochen A. Bär

(181) 30. Juni – Wagemut

Es erfordert Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen: „Wage zu wissen“, forderte der Philosoph Immanuel Kant im 18. Jahrhundert; er meinte: wage es, konsequent, präzise, exakt zu denken. Der Weg (griechisch methodos: der Gang der Untersuchung) ist das Ziel. Wagemut ist Wegemut: die Grundeigenschaft des forschenden Menschen. Wissenwollen ist stets riskant, denn man weiß ja nie, was dabei herauskommt. Das sorgsamste methodische Wägen bleibt ein Wagnis: Wohin der Wa(a)gebalken ausschlägt, ist immer ungewiss.

Von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur digitalen Welt der binären Codes ist das präzise Denken zum herrschenden Paradigma, zur Routine geworden. Mut erfordert heute in der Wissenschaft das Unexakte – das analoge konnotativ-synthetische Vagieren (Schweifen). Es besteht darin, mit allen gesprochenen oder gedachten Wörtern andere Wörter, Vorstellungen, Bilder zu verbinden. Unterschiede zwischen den Einzelgegenständen verwischen und werden insgesamt als irrelevant oder wenigstens als zweitrangig angesehen.

Das konnotativ-synthetische Denken findet Analogien des Klangs ebenso wie der Bedeutung, es liebt Wortspiele und Metaphern. Es strebt keinen eindeutigen Sprachgebrauch an, sondern arbeitet bewusst mit der Mehrdeutigkeit von Ausdrücken. Es weiß oder findet heraus, dass die Verben schweifen und schweben etymologisch verwandt sind, dass den Verben wagen und wägen der Aspekt des prekären Gleichgewichts (des In-Gefahr-Schwebens und Auf-der-Kippe-Stehens) gemeinsam ist, dass Mut auf eine Wurzel mit der Bedeutung ›kräftigen Willens sein, intensiv streben‹ zurückgeht, dass Vagheit vom lateinischen vagari (›umherschweifen‹) kommt, von der Bewegung auf vielerlei Wegen und selbst im Weglosen, Routine aber vom lateinischen rupta via (›gebrochene Bahn‹), also dafür steht, dass ein Weg deutlich erkennbar und leicht zu betreten ist. Es bringt Assoziationen auf wie die, dass gebrochene Wege kaum ungebrochen zu verfolgen sind, ungebrochene hingegen, wenn man sie verfolgt, kaum ungebrochen bleiben werden.

Das konnotativ-synthetische Denken bringt Dinge zusammen, die einmal zusammengehörten, aber auch solche, die nie etwas miteinander zu tun hatten. Es legt nahe zu prüfen, ob die Verbindung einen neuen guten Sinn ergeben könnte. Vagemut – Mut zur Vagheit – bedeutet Mut, ausgetretene, für sicher gehaltene Wege des Denkens zu verlassen. Geht man Spuren im Gelände konsequent und wiederholt nach, so können neue Pfade entstehen. Verwendet man Wörter mehrfach auf neue Art, so können sie ein neues Gepräge annehmen. Sprache mal anders!    ⋄    Jochen A. Bär