

Alumni Portrait von Marco Sagurna
1991 machte Marco Sagurna seinen Magister Artium in Vechta. Die Hochschule hat der 64-jährige in Zeiten drohender Schließung als Student erlebt wie auch als Journalist. Einen Namen machte sich der gebürtige Hesse als Mitherausgeber des Dichterbuches „too much – Das lange Leben des Rolf Dieter Brinkmann“. Dieses Jahr wurde der in Hannover lebende Schriftsteller und Publizist europäischer Gegenwartsliteratur auf der London Book Fair mit einem Award of Excellence geehrt.
Wo sind Sie aufgewachsen und zur Schule gegangen?
Ein viertel Jahr Wiesbaden bei Mami, fünf Jahre bei Oma & Opa in Vechta, zur Schule in Frankfurt am Main wieder bei der Mutter.
Schon früh zeichnete sich Ihr Interesse an Kommunikation, Journalismus, Literatur und Autorenschaft ab. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erklärung/einen Auslöser dafür?
Als kleiner Fips krabbelte ich morgens zu Opa und Oma ins Bett. Oma alberte mit mir herum und kitzelte mich, Opa war ein klassischer Geschichtenerzähler, dem ich jeder seiner Geschichten dutzende Mal lauschte; sie erzählten aus dem ostpreußischen Leben als Bauer, Jagdinhaber, grenzenlosem Menschenfreund, Familienvater, Ehemann, Naturkundler und Katholik als auch – immer neu abgewandelt wie es ihm grad einfiel – die klassischen Märchen der Gebrüder Grimm wie Hans-Christian Andersens. Mein Mamilein las mir Gedichte vor. Die Neugier auf erfundene wie wahre Geschichten führt hin zu Menschen mit Geschichten, hinein in Bücher aller Art sowie ins eigene Fabulieren. Daraus eröffnen sich Studieninteressen wie Berufsfelder.
Wieso haben Sie sich entschlossen, in Vechta zu studieren? Und in welchem Zeitraum haben Sie hier welche Fächer studiert?
Opa war gestorben, und der seinerzeit verpflichtende Dienst am Heimatland rief mich, da zog ich nach meinem ersten Semester in der Heimat Frankfurt am Main als Mieter unters Dach zu Oma in die Heimat Vechta. Erst Malteser Hilfsdienst, dann verlockte mich die Universität. Germanistik im Hauptfach, Nebenfächer Psychologie und Kunst, Magister Artium 1991 mit einer Arbeit über Rolf Dieter Brinkmann. Berufsbegleitend machte ich später an der Uni Hannover noch den Kulturmanager.
Sie haben die Hochschule in Zeiten drohender Schließung nicht nur als Student erlebt, sondern diese auch journalistisch begleitet. Wie haben Sie den Standort und die Region wahrgenommen?
Vechta, auch innerhalb der Universität, war und ist ein Städtchen voll von Dickköpfen von englischem Charakter. Etwas verschroben sind die Menschen, liebenswürdig und tolerant gegenüber Schrullen. Kalte Schulter zeigen sie denen, die ihnen nicht die gebührende Achtung entgegenbringen oder gar mit Überheblichkeit begegnen. Das gefällt mir.
Wenn Sie an Ihr Studium zurückdenken, denken Sie gerne an:
Vier grandiose Professoren in der Germanistik: Otto Hannes Dörner stößt mich auf Rolf Dieter Brinkmann, Wilfried Kürschner erweckt in mir die Liebe zur Grammatik, Edgar Papp liest mit uns das Mittelhochdeutsche lebendig, und mit Jürgen Thöming entdecken wir Literatur im Widerstand. In Psychologie liebte ich die Epidemiologie beim Pragmatiker Jürgen Howe sowie Sprachpsychologie bei der Wiener Grande Dame Stephanie Krenn.
Sind Ihnen darüber hinaus Ereignisse aus Ihrer Vechtaer Zeit in Erinnerung geblieben? Welche wären das?
Oha, das ist soviel. Mein Roman „Warmia“ spielt in Vechta und Polen. Die Galerie meiner Autorenseite im Internet ist voll von Vechta.
Aus Ihrer Studienzeit haben Sie folgende Gegenstände aufgehoben:
Bierglas aus der Destille, Schluckglas vom Stoppelmarkt.
Auf dem Stoppelmarkt würden Sie gerne ein Bier trinken mit…
... mit meinem ehemaligen Kommilitonen Christian Bitter.
Wie sieht Ihr – falls es so einen überhaupt gibt – beruflicher Alltag heute aus?
Recherche – auf Reisen, in Korrespondenz und in Büchern. Netzwerken und Kenntnis des Werks der Kolleginnen für die herausgegebenen Bücher. Fotografieren. Workshops. Das Leben im Text. Freunde & Familie, Sport & Bewegung.
Mit Vechta verbinden Sie…
... Freundschaften, Heimat, Herzklopfen.
Mein Tipp für Studierende ist:
Moorwanderung im gefrorenen Winter mit Termoskanne und Stullen im Rucksack von Sonnenaufgang bis es wieder dunkel ist. Auf den Stoppelmarkt montags 8 Uhr. Westwärts 1&2 von Rolf Dieter Brinkmann lesen.
Stand: 11/2025, Fotonachweis: Marco Sagurna