Springe zum Inhalt

Prof. Dr. phil. habil. Jochen A. Bär

Germanistische Sprachwissenschaft

Lehrveranstaltungen: Pragmalinguistik

Sprache und Beziehung

Gegenstand: Sprache ist soziales Handeln. Sprachwissenschaft und Sprachgeschichte, will sie gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen, muss eine Beschäftigung mit Identitäts-, Anerkennungs- wie Vernichtungssprechen, letztlich: Beziehungssprechen mit allen seinen Nuancierungen sein. Sie soll Sprachverwendungen des historischen wie des gegenwärtigen Menschen untersuchen, um von da aus sprachliche Strategien, Muster und Normen des Sozialisationssprechens als Interaktions- und Beziehungssprechen zu eruieren. Beziehung beginnt intrapersonal in der Beziehung zu mir selbst, interpersonal zu einem Du und schließlich transpersonal zu einer dritten Größe, z. B. zu Gesellschaft, Staat oder Religion. — Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen historische und heutige Texte. Sie sind nicht nur ausdrucks-, appell- und darstellungsfunktional im Sinne Karl Bühlers, sondern können, spätestens seit Friedemann Schulz von Thun, auch beziehungsfunktional interpretiert werden: Sie sind von ihrer interpersonalen Beziehung her motiviert, systematisch beziehungs- und adressatenentsprechend gestaltet bzw. beziehungssteuernd funktionalisiert. Dies erfolgt über intentionale Inhalte, die eine sprechende/schreibende Person oder Gruppe so semantisiert und pragmatisiert, wie sie sie mit Blick auf die eigene Intention/Ideologie und die gewünschte Rezeption pro Situation zu brauchen meint. Anhand konkreter Beispiele – u. a. dem althochdeutschen Hildebrandslied, der mittelhochdeutschen Predigtliteratur, dem mystischen Ich, Luthers Selbstaussagen, der Diskriminierung sozialer Gruppen im Laufe der Geschichte, diskursiver Hypes von Politikern (Th. zu Guttenberg) und sonstiger Durchschnittsmenschen (Kaspar Hauser) – soll ein methodologisch und sprachtheoretisch reflektiertes Verständnis ebenso alltäglicher wie brisanter Sprachgebrauchsphänomene erarbeitet werden.

Literatur:

  • Angehrn Emil/Joachim Küchenhoff, Hgg. (2012): Macht und Ohnmacht der Sprache. Philosophische und psychoanalytische Perspektiven. Weilerswist.
  • Goffman, Erving (2003): Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Sonderausg., 1. Aufl. Frankfurt a. M.
  • Graumann, Carl Friedrich/Margret Wintermantel (2007): Diskriminierende Sprechakte. Ein funktionaler Ansatz.In:Verletzende Worte. Die Grammatik sprachlicher Missachtung.Hrsg. v. Steffen K. Herrmann/Sybille Krämer/Hannes Kuch. Bielefeld (Edition Moderne Postmoderne), 147–177.
  • Küchenhoff, Joachim (2004): Verlust des Selbst, Verlust des Anderen – die doppelte Zerstörung von Nähe und Ferne im Trauma.In: Psyche 58, 811–835.
  • Lobenstein-Reichmann, Anja (2011): Sprachliche Ausgrenzung im Mittelalter: Die deutschen Predigten Bertholds von Regensburg. In: Frühneuhochdeutsch – Aufgaben und Probleme seiner linguistischen Beschreibung. Hrsg. v. Anja Lobenstein-Reichmann/Oskar Reichmann. Hildesheim/Zürich/New York (Germanistische Linguistik 213–215/2011), 553–582.
  • Lobenstein-Reichmann, Anja (2013): Sprachliche Ausgrenzung im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin/Boston.
  • Lobenstein-Reichmann, Anja (2017): Beziehungsbezeichnungen im Frühneuhochdeutschen. In: Sprache und Beziehung. Hrsg. von Angelika Linke/Juliane Schröter. Berlin/Boston, 385–416.

Weitere Literatur wird im Laufe des Semesters genannt.

Veranstaltet im:

  • SoSe 2018: Arbeitsgruppe (Sommerakademie der Studienstiftung des deutschen Volkes)