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Too big to fail: Moorstrategie als große Chance im Klimaschutz für Cloppenburg, Diepholz und Vechta

 Dienstag, 20.06.2023

Rund 130 Teilnehmende diskutieren das Spannungsfeld zwischen Landwirtschaft und Moornutzung auf Veranstaltung von trafo:agrar

Die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz wurde bereits vor Jahren erkannt, Moorschutzstrategien für Bund und Land wurden entwickelt. Doch erst in der intensiven Auseinandersetzung mit der zentralen Rolle der Landwirtschaft als Flächeneigentümerin und Bewirtschafterin von Moorflächen im Kontext des Klimawandels ist das Thema im gesellschaftlichen Diskurs angekommen. Der Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) mit Sitz in Vechta hatte ins Europäische Fachzentrum für Moor und Klima (EFMK) in Wagenfeld eingeladen, um das Thema zu diskutieren. 93 virtuell und 35 in Präsenz anwesende Interessierte diskutierten zur Rolle von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Landwirtschaft das bedeutende Thema.

Dr.in Barbara Grabkowsky, Leiterin von trafo:agrar, diskutierte mit den Landräten aus Diepholz, Cord Bockhop, Cloppenburg, Johann Wimberg, und Vechta, Tobias Gerdesmeyer, die Rolle und Möglichkeiten der Landkreise im Moorschutz, z.B. in der Regionalplanung und der Flurbereinigung. Eine weitere Fragestellung war das Spannungsfeld zwischen Torfwirtschaft und Moorschutz, die aktuell insbesondere im Landkreis Vechta öffentlich kontrovers diskutiert wird. Im Landkreis Diepholz beträgt der Anteil der Moorfläche 6 %, im LK Vechta 13 % und im LK Cloppenburg 11 % der jeweiligen Kreisfläche – eine weitaus größere Fläche sei derzeit unter landwirtschaftlicher Bewirtschaftung, so Landrat Wimberg. Um genauer zu wissen, um wie viel Fläche es sich tatsächlich handle, werde es in 2024 eine niedersachsenweite Kartierung geben. Die drei Landräte waren sich einig, dass der Moorschutz eine gesamtgesellschaftliche Zukunftsaufgabe sei. Das Spannungsfeld, welche Flächen weiterhin und vor allem wie genutzt werden dürften, sei eine Kardinalfrage. Für einige Betriebe sei die Umnutzung eine existenzielle Bedrohung, wenn man z. B. an die Erden- und Torfwerke denke. Es würden Alternativen, d. h. Torfersatzprodukte gebraucht, wie z. B. Kompost aus Biomüll. Die Landräte betonten in ihren Statements, dass alle mitgenommen werden müssen, da die Moorregionen als Lebens- und Arbeitsräume über Jahrhunderte entstanden seien und einen bedeutenden Teil der kulturellen Identität der Region darstellen würden.

Dr. Jens-Uwe Holthuis, Mitarbeiter der Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz, führte mit seinem Vortrag zur kulturellen & regionalen Bedeutung des Moores für die Landwirtschaft in Niedersachsen in die Thematik ein und lieferte dabei einen historischen Abriss über mehrere Jahrhunderte, in dem es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch mit Zwangsarbeit im Moor im Nationalsozialismus unrühmliche Zeiten gegeben hat. Moore sind auf 10 % der Fläche in Niedersachsen vorhanden, die häufigste Nutzung ist das Grünland, gefolgt von Ackerland, Torfabbau findet nur noch sehr wenig statt. Das Moor ist für die Menschen dort Existenzgrundlage und Identität. Seit den 70iger Jahren hat ein Bewusstseinswandel stattgefunden, der Schutz von Moorflächen, Arten- und Naturschutz steht im Fokus. Mit dem Bau des EFMK 2014 wurde ein Zentrum für Wissenschaft, Praxis und regionalem Tourismus geschaffen.

Mit einem Faktencheck Moor als Treibhausgassenke stellte Dr. Merten Minke, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thünen Institut für Agrarklimaschutz, die Erkenntnisse aus Untersuchungen zu Emissionen an verschiedenen Messstandorten in Niedersachsen vor. Ein intaktes Moor ist klimaneutral, wenn man es nicht entwässert. Da aber viele Flächen zur Nutzbarmachung entwässert wurden, entweicht neben CO² auch Methan, beides schädliche Treibhausgase. Abschließend fasste Dr. Minke zusammen, dass der Wasserstand entscheidend für THG-Emissionen ist, daher sind Wasserverfügbarkeit und gutes Wassermanagement sehr wichtig. Eine Unterflurbewässerung führt im Niedermoor kaum eine Emissionsreduktion herbei und im Hochmoor sogar erhöhte Emissionen und ist daher für Hochmoor nicht zu empfehlen. Sphagnum-Paludikulturen sowie sehr extensiv oder ungenutzte wiedervernässte Hochmoore reduzieren Treibhausgase gegenüber einer intensiven Nutzung deutlich. Und Niedermoor-Paludikulturen bieten Optionen für die Minderung von Treibhausgasemissionen.

In dem anschließenden Vortrag ging Dr.in Martha Graf, Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), Referat Landwirtschaft, Bodenmonitoring, auf die Möglichkeiten und Grenzen von der trocknen zur nassen Moornutzung ein. Wenn etwas zum Schutz der Moore getan werden solle, müssen die Wasserstände erhöht werden, machte Dr.in Graf zu Beginn deutlich. Auf ca. 20 Flächen in Niedersachsen erforscht das LBEG gemeinsam mit Landwirt*innen, die stark involviert sind, und einem Beratungs- und Entscheidungsgremium, welche Maßnahmen ergriffen werden und bewertet die Ergebnisse. Maßnahmen zur Wiedervernässung im Hochmoor sind das passive Wassermanagement (Wasserrückhalt auf der Fläche) und das aktive (Speicher und Wasserverteilung), die unterschiedliche Auswirkungen haben.

Uwe Schröder, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, stellte neben dem Projekt Moornutzung im Wandel (MoWa) noch die Moorbewirtschaftung in Niedersachsen vor sowie Gesetze und Vereinbarungen zur landwirtschaftlichen Moornutzung, die insbesondere bei Nutzungsänderungen zu beachten sind. Am Beispiel der Milchwirtschaft führte er aus, welche sozioökonomischen Folgen eine veränderte Produktion auf den Moorstandorten haben kann. Mit dem Projekt „MoWa“ unter der Leitung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen soll eine Unterstützung der Transformation der landwirtschaftlichen Moornutzung in Niedersachsen im Sinne des Klimaschutzes durch systemische Untersuchungen und Prozessbegleitung erfolgen. Das Projekt ist am 01.03.2022 gestartet und läuft bis zum 31.12.2025.

In einer anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass zum einen noch viel Forschungsbedarf besteht und zum anderen zu wenig strukturiertes Wissen in der Praxis vorliegt, wie sich landwirtschaftliche Betriebe auf Moorflächen zukunftsfähig aufstellen können. Intensiv diskutiert wurden der Wasserbedarf und die Herkunft des Wassers, das beispielsweise für eine Bewässerung benötigt wird. Ferner ist unklar, wie und von wem Naturschutzleistungen honoriert und potenziell geringere Erträge für die Betriebe kompensiert werden können.

Mit dieser Veranstaltung konnte der Verbund trafo:agrar einen Überblick zum Sachstand im Themenkomplex „Landwirtschaft, Klima und Moor“ geben und auf neutralem Boden der Wissenschaft den Diskurs führen, welche Rollen die unterschiedlichen Akteure aus Landwirtschaft, Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft einnehmen können. In den Vorträgen wurden zum einen die Bedeutung der Moore und deren Entwicklung, ihre Bedeutung als Klimasenke und die Herausforderungen in der Landwirtschaft in Bezug auf eine Nutzungsänderung dargestellt und diskutiert.

Den Link zum Mitschnitt der Veranstaltung sowie einige Vorträge der Referent*innen finden Sie unter https://www.uni-vechta.de/koordinierungsstelle-transformationsforschung-agrar/veranstaltungen/trafoagrar-archiv.

Kontakt:

Doris Schröder, Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar)

E-Mail: doris.schröder@trafo-agrar.de


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