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Das Kompetenzzentrum Regionales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung

Interview mit Dr.in Gabriele Diersen

Wie unterstützen Sie mit Ihren Angeboten Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an allgemeinbildenden Schulen?

Das Kompetenzzentrum Regionales Lernen (KoReLe) an der Universität Vechta ist ein wissenschaftliches Transferzentrum, welches an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis die Entwicklung und den Ausbau von Bildungslandschaften initiiert und begleitet. Mit dem Bildungskonzepts Regionales Lernen 21+ wird die Kernidee verfolgt, die Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern, die Region, in der sie leben, als Lernumfeld stärker einzubeziehen. Indem themenorientiert und didaktisch-methodisch gestaltet, Orte und Menschen der Region bildungswirksam werden, direkte Begegnungen und unmittelbares Erleben den Lernprozess bereichern, werden Beiträge zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und zur nachhaltigen Regionalentwicklung realisiert. In einer Vielzahl von Projekten wurden Bildungsangebote und Lehr-Lern-Materialien zu unterschiedlichsten Themen erarbeitet und Bildungsnetzwerke aufgebaut. Sie laden zum Lernen in der Wirtschaft und der Kulturlandschaft vor Ort ein.

Die Themen Land- und Ernährungswirtschaft, Fischwirtschaft und Bioökonomie sind aktuelle Beispiele. Im Landkreis Vechta entwickelte sich bereits ab 2003 ein Bildungsnetzwerk auf der Basis zweier regionaler Bildungsträger (AGRELA e.V., RUBA e.V.) ein Bildungsangebot zum Themenfeld Landwirtschaft. Rund 40 außerschulische Lernorte und über 35 Partnerschulen sind dabei. Die Region Niedersächsische Nordseeküste entwickelt mit unserer Hilfe Lernstandorte zur Fischwirtschaft. Kutterfahrten, Krabben fangen, Museumsbesuche und Erkundungen im Watt und im Hafen sind Elemente des Bildungsprogramms. In der Region Weser-Ems entstehen Lernorte und eine interaktive Ausstellung zur Bioökonomie. Hier werden Produkte und Merkmale der Bioökonomie, einer Wirtschaftsweise, die eine nachhaltige Entwicklung unterstützt, thematisiert. Wie immer: regional, handlungsorientiert und partizipativ!

 

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation an Schulen vor diesem Hintergrund ein?


BNE ist eine politische Zielsetzung. Dies zeigt der Nationale Aktionsplan, der sicherstellen möchte, dass bis 2030 alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben (Ziel des Unesco-Weltaktionsprogramms (2015-2019)). Für alle Bildungsbereiche skizziert er zahlreiche Ansätze und Ziele. In Niedersachsen spiegelt der aktuelle Erlass des Kultusministeriums zur BNE diese Bemühungen wider. Dieser möchte dazu beizutragen, in Schulen ein explizites Verständnis von BNE zu entwickeln und es systemisch in Unterricht und Schulkultur zu verankern sowie qualitativ weiterzuentwickeln.

Die in der Schulpraxis verfolgten Wege und erzielten Erfolge sind meines Erachtens äußerst unterschiedlich zu bewerten. Zum einen lassen sich viele Initiativen und Netzwerke beobachten, die den BNE-Prozess fördern, z.B. über das Engagement als Umweltschule, Unesco-Schule, Naturpark-Schule u.a.m. Wir sehen in diesem Segment, dass über projektförmige, additive Aktionen das Ziel verfolgt wird. Nach wie vor hängt der Erfolg nach meiner Erfahrung häufig an einzelnen Personen in Schulleitung und Kollegium, die hier den Unterschied machen.

Das Ziel einer querschnittsorientierten, institutionalisierten Verankerung und damit eine Einbettung in den Unterricht sehe ich bisher nur rudimentär erreicht. Einzelne Fächer sind prädestiniert hier durch die Ausrichtung der Fachcurricula und des Fachzuschnitts einen besonders großen Beitrag zu leisten. Das trifft insbesondere für das Fach Geographie zu. Es versteht sich als Zentrier- oder Ankerfach für BNE und behandelt die großen Zukunftsfragen des 21. Jahrhunderts wie Klimawandel, Migration, Endlichkeit der Ressourcen etc.

Eine umfassende Verankerung und Qualifizierung von BNE kann jedoch nur im Zusammenwirken aller Fächer erreicht werden. Mathematikaufgaben können Zukunftsfragen ebenso behandeln wie im Deutschunterricht Berichte und Aufsätze. Zudem kommt der Schulleitung eine Schlüsselrolle zu. Sie muss einen engagierten, partizipativen BNE-Prozess in einer Schule organisieren und Nachhaltigkeit in der Institution vorantreiben.

 

Sie zielen mit dem Bildungskonzept „Regionales Lernen 21+“ auf eine nachhaltige Regionalentwicklung. Wie hängen die Bereiche Schulbildung und Nachhaltige Entwicklung zusammen?

Beim Regionalen Lernen werden Orte und Menschen der Region in Bildungsveranstaltungen eingebunden. Kinder und Jugendliche lernen diese kennen und bekommen so die Möglichkeit, sich gezielt vor Ort einzubringen und an der Entwicklung der Region direkt zu partizipieren. Das Wirken der Menschen, ihre Haltungen und Entscheidungen, werden zu Themen des Unterrichts. So kommen die Beteiligten über ihr Tun gegenseitig ins Gespräch. Beispielsweise fragen nicht nur Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer wie Fleisch erzeugt, verarbeitet und konsumiert wird, sondern auch die Produzierenden möchten wissen, wie viel Geld die Nachfrageseite dafür bereit ist zu zahlen. In der systemischen Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit entsteht neben dem Lernprozess ein Beitrag zu einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess. Die regionale Ebene ist prädestiniert, da hier konkrete Handlungsoptionen diskutiert und gewählt werden.

 

Können Sie das an einem konkreten Beispiel skizzieren?

Wie an dem vorangestellten Beispiel des Fleischkonsums aufgezeigt werden kann, spielen viele Facetten für eine nachhaltige Entwicklung eine Rolle. Vor Ort können die Art und Weise der Tierhaltung, der Einsatz von Ressourcen, die Schlachtung und Vermarktung exemplarisch aufgezeigt und hinsichtlich ihrer ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklung analysiert werden.

Wir empfehlen exemplarisch an einem regional bedeutsamen Thema, die Dimensionen der Nachhaltigkeit aufzuzeigen und im Unterricht aufzugreifen. Das ermöglicht einen hohen Praxisbezug. Viele Ansprechpartner und Lernorte können einbezogen werden. Ein starker Lebensweltbezug ist zudem gegeben, da ein großer Teil der Eltern und Verwandten in diesem Sektor tätig sind. Die im Lernprozess erzielten konkreten Vorstellungen, die Einnahme verschiedener Perspektiven, die Analyse der komplexen Zusammenhänge, fördern die Entwicklung der persönlichen Gestaltungskompetenz und regionalen Identität. Dieses Potential fließt in die regionale Entwicklung ein.