"Die aber an Christus glauben, beschloß er in der heiligen Kirche zusammenzurufen. Sie war schon seit Anfang der Welt vorausbedeutet; in der Geschichte des Volkes Israel und im Alten Bund wurde sie auf wunderbare Weise vorbereitet, in den letzten Zeiten gestiftet, durch die Ausgießung des Heiligen Geistes offenbart, und am Ende der Weltzeiten wird sie in Herrlichkeit vollendet werden" (LG 1, 2)
Anders als vorausgehende Konzilien ist das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) in seinen Verlautbarungen dogmatisch und pastoral und weniger kirchengeschichtlich ausgerichtet. Jedoch ist der oben zitierte Satz aus der Dogmatischen Konstitution "Lumen gentium" von zentraler Bedeutung für die Kirchengeschichte.
Hier wird Kirche als durch und durch geschichtliche Größe definiert. Wie das Christusereignis sich in einem zeitlich und räumlich historischen Rahmen vollzog, wird Kirche in Zeit und Raum, entwickelt sich in ihnen und wird in ihrer Verwirklichung im Verlaufe der Jahrhunderte als Institution, in ihrer Theologie und in ihrer religiösen Prägung und Haltung von diesen bestimmt. Diese historisch greifbare Kirche ist Gegenstand der Kirchengeschichte. Mit den seit der Aufklärung weiterentwickelten und im 19. und 20. Jahrhundert verfeinerten Methoden der Geschichtswissenschaft geht die Kirchengeschichte vorurteilsfrei, aber nicht voraussetzungslos diesen Gegenstand an und erforscht ihn in seinem historischen Ablauf und in seinen vielen Erscheinungsformen. Vom wissenschaftlichen historischen Ansatz her ist Kirchengeschichte nicht von der profanen Geschichtswissenschaft unterschieden und auch nicht unbedingt in bezug auf den Forschungsgegenstand, wohl aber in ihrer theologischen Dimension, das heißt von ihrer Voraussetzung her und in ihrer kritischen Funktion in der Kirche. Der Kirchengeschichte kommt nämlich die Aufgabe zu, kritisch zu überprüfen, ob und wie Kirche in je ihrer Zeit der in Jesus Christus geoffenbarten Botschaft und Lehre entspricht und gerecht wird. Von dieser Warte her ist Kirchengeschichte eine theologische Disziplin. Die Kirchengeschichtsschreibung unterscheidet als große Epochen die Alte Kirche, das Mittelalter, die Neuzeit und die Neueste Zeit; der hermeneutische Ansatz kann vielfältig sein und ebenso die Zahl der verschiedenen kirchengeschichtlichen Teilgebiete, wie etwa die Ordensgeschichte, Missionsgeschichte, Theologiegeschichte, Liturgiegeschichte, Frömmigkeitsgeschichte und Geschichte der christlichen Kunst.
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