Planetary Health
Planetary Health (auch PH oder Planetare Gesundheit) ist ein Konzept, welches ursprünglich aus der MedizinerInnenausbildung stammt, aber auch für anderen Bereichen der Bildung vielversprechend ist (vgl. Lathan/Mönter/Wittlich 2024). Im Grundsatz untersucht Planetary Health, wie die Gesundheit des Menschen durch die Gesundheit des Planeten beeinflusst wird und wie menschliches Verhalten die Gesundheit der natürlichen Systeme beeinflusst. Whitmee begründet die Notwendigkeit der PH so: “Environmental threats to human health and human civilisation will be characterized by surprise and uncertainty. Our societies face clear and potent dangers that require urgent and transformative actions to protect present and future generations.” (Whitmee u.a. 2015, S. 1974). Die beschriebenen Unsicherheiten und Überraschungen nehmen im Anthropozän stetig zu. Deshalb stehen im Zentrum der PH auch besonders Handlungsoptionen, die negative Auswirkungen auf die natürlichen Systeme verhindern, aber auch helfen sollen, dass Menschen sich vor den neu auftretenden klimawandelbedingten Gesundheitsrisiken schützen können. Entscheidend ist, dass der Mensch Teil der Umwelt und abhängig von den natürlichen Systemen ist:
„Planetary Health beschreibt demnach die Intaktheit der Beziehungen innerhalb, von und zwischen planetaren Ökosystemen als Voraussetzung für das Wohlergehen der menschlichen Zivilisation. Dabei ist Planetary Health untrennbar verbunden mit der Erarbeitung von Lösungen, angefangen z.B. bei der Modellierung, welche Form der Ernährung gesund ist für Menschen und unseren Planeten, bis hin zu der Entwicklung von Narrativen, die wichtig sind für das Gelingen der Transformation.“ (Schulz/Herrmann 2021, S. 4)
Die zehn grundlegenden Prinzipien der PH sind zusammengefasst nach Prescott u.a. 2018; Schulz/Herrmann 2021 in Abbildung 2 zu sehen. Sie umfassen bspw. die nachhaltige Vitalität aller Systeme, ein planetares Bewusstsein sowie die enge Verbundenheit zur Natur, wobei sich nicht nur die Haltung, sondern auch das Verhalten ändern soll.
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) soll Lernende dazu befähigen
„die Konzepte der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit umzusetzen zu können. Die Schülerinnen und Schüler sollen also, wenn sie entsprechende Ziele, Zwecke oder Absichten haben, planvoll und effizient diejenigen Sachverhalte herstellen können, die ihr Handeln allererst als ein nachhaltiges und gerechtes bestimmt.“ (Haan 2008, S. 116 f.)
Nachhaltig bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur die Bedürfnisse und Wünsche der jetzigen Generation, sondern auch die künftiger Generationen zu achten. Nachhaltigkeit bezieht sich dabei keinesfalls nur auf ökologische Nachhaltigkeit und den Schutz der natürlichen Systeme. So werden auch Bereiche, wie ökonomische, soziale und politische Nachhaltigkeit betrachtet (Nachhaltigkeitsviereck siehe S. 5). Diese Dimensionen der Nachhaltigkeit beeinflussen sich gegenseitig und sind voneinander abhängig, bspw. wirken sich manche invasive Neobiota negativ auf die Gesundheit von Menschen aus, können aber gleichzeitig wirtschaftlich genutzt werden. Deshalb sollten behandelte Themen in der BNE von verschiedenen Standpunkten betrachtet werden.
Es gibt oft keine ideale Lösung und Aushandlungsprozesse machen einen zentralen Teil der Nachhaltigkeit aus.
Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung ist zudem die Ausbildung von Kompetenzen, die die Lernenden benötigen, um nachhaltig handeln zu können, auch Gestaltungskompetenz genannt (vgl. KMK/BMZ 2016, S. 95). Die KMK/BMZ empfiehlt für den Ablauf einer BNE-Maßnahme den Dreiklang aus Erkennen, Bewerten und Handeln (vgl. KMK/BMZ 2016). So sollen Lernende zunächst den Gegenstand verstehen, dann Beziehungen zu anderen Systemen finden und auch die eigene Einstellung zum Thema definieren, bevor sie Handlungsoptionen entwickeln und erproben (s. Tabelle 1).
Das Konzept der BNE ist dabei nicht statisch und da Nachhaltigkeit, nachhaltiges Handeln und Zukunft nicht immer gleich verstanden werden, gibt es auch unterschiedliche Ansätze der BNE, wie Tabelle 2 zeigt.
BNE und Transformative Bildung
Dass Bildung für nachhaltige Entwicklung (auch) einen Bezug zu Transformativem Lernen hat, ist bereits in den verschiedenen Ansätzen der BNE zu sehen. Ursprünglich stammt das Konzept der Transformativen Bildung aus der Erwachsenenbildung, wo es zunächst auf die Transformation von Individuen zielte und vor allem durch Mezirow geprägt wurde. Mezirow geht in seinem Verständnis des Transformativen Lernens von der Annahme aus, dass sich Deutungsmuster von Erwachsenen, z.B. durch einschneidende Erlebnisse, dauerhaft verändern, was sich wiederum auf ihr individuelles Verhalten auswirkt. Der kommunikative Austausch mit Anderen ist dabei von besonderer Bedeutung, da das Individuum so mögliche neue Rollen für sich erkennen und ein neues Verständnis auf oft wenig hinterfragte Sichtweisen erhalten kann (vgl. Mezirow 1996). Das Konzept wurde über die Jahre ergänzt und weiterentwickelt (vgl. Taylor 2009). Transformation und Transformatives Lernen werden heutzutage bspw. auch mit der sozial-ökologischen Transformation in Zusammenhang gebracht. So ist nicht nur die Transformation von Individuen bedeutsam, sondern auch (durch veränderte Individuen) eine grundlegende Veränderung des gesellschaftlichen Systems, um die natürlichen Systeme nachhaltig zu schützen. Diese Ansicht wird beispielsweise im Orientierungsrahmen für globale Entwicklung deutlich:
„Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) umfasst alle Aktivitäten, die sich als transformative Bildung an dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientieren. Sie führt verschiedene Bildungstraditionen und unterschiedliche Handlungsschwerpunkte zusammen, wie Umweltbildung, Globales Lernen, Verbraucherbildung etc.“
(KMK/BMZ 2016, S. 31)
Die Verbindung von BNE und PH

Die Erweiterung der BNE durch PH führt zu zahlreichen Synergieeffekten, wie beispielsweise dem Potential der Förderung des systemischen Denkens durch die Verknüpfung der vier Nachhaltigkeitsbereiche mit den Wechselwirkungen zwischen menschlicher und planetarer Gesundheit. Zudem trägt es dazu bei, dass sich SuS im Rahmen einer partizipatorischen Bildung mit individuellen Gesundheitsrisiken auseinandersetzen und Lösungs- sowie Anpassungsstrategien entwickeln, was auch zu einer nachhaltigen Transformation beiträgt (vgl. Lathan/Mönter/Wittlich 2024).
Abbildung 4 zeigt, wie die Integration von BNE und PH geschehen kann. Daraus ist bspw. zu erkennen, dass die Intaktheit der natürlichen Systeme eine Voraussetzung für menschliche Gesundheit ist. Ein Temperaturanstieg, ausgelöst durch den anthropogen bedingten Klimawandel, kann direkte und indirekte Auswirkungen auf die individuelle Gesundheit haben: Neben häufigen auftretenden Hitzewellen profitieren auch zahlreiche Neobiota von erhöhten Temperaturen, die wiederum das Auftreten von Allergien beeinflussen können. Dabei ist zu erkennen, dass die Gesundheitsdimensionen auch in allen Bereichen der Nachhaltigkeit zu finden sind.
Regionales Lernen 21+
„Regionales Lernen 21+ ist ein Bildungskonzept für außerschulisches und handlungsorientiertes Lernen im Nahraum. Es greift die Kerngedanken der Bildung für nachhaltige Entwicklung auf, fördert die regionale Identität und die Partizipation an der Gestaltung der eigenen Lebenswelt. Dabei gibt es in jeder Region Lernorte, die Lernen in Nahräumen, in der regionalen Wirtschaft oder in anderen geographisch relevanten Themenfeldern ermöglichen.“
(Diersen/Flath 2017, S. 1)
Das auf Basis des regionalen Lernens nach Salzmann/Bäumer/Meyer (1995) und Konzepten der BNE beruhende Bildungskonzept soll es den SuS durch ganzheitliches Lernen und die Förderung des vernetzten Denkens ermöglichen, in realen Situationen relevante Kenntnisse und Methoden anwenden zu können. Dabei sind die Selbständigkeit und Freiräume zur persönlichen Entfaltung sowie die Stärkung von Sozialkompetenzen der Lernenden von Bedeutung (Schockemöhle 2009, S. 172 f.).
Regionales Lernen 21+ soll dazu beitragen, dass die Lernenden ihre Region nicht nur wahrnehmen und sich mit ihr verbunden fühlen, sondern sich auch für sie engagieren und auf der kognitiven, affektiven und aktionalen Ebene wichtige Kompetenzen, wie vorausschauendes Denken oder Solidarität verbessern. Die Verbindung dieser Komponenten und die Einbettung ins Bildungskonzept wird in Abbildung 5 dargestellt.