Die Rolle der Musik für die Menschen in und um Vechta (1975-1985)
Interviews mit Zeitzeugen

Vier Menschen haben sich bereit erklärt, sich im Spätsommer 2021 zu der Rolle der Musik in ihrem Leben interviewen zu lassen. Dabei sind in schönen Gesprächen einige tolle Anekdoten mit uns geteilt worden. Doch neben schönen Unterhaltungen, sollte auch wissenschaftlich erforscht werden, wie groß die Rolle der Musik, für die Menschen in den Jahren 1975 bis 1985 in Vechta und
Umgebung war. Dazu befragt wurde eine Aerobic-Trainerin, bei der ihre Verbindung zur Musik über ihr ganzes Leben jede Minute des Gesprächs bestätigt wurde. Ein Musikliebhaber, der bei dem Erzählen von Geschichten aus seiner Jugend eine große Freude versprüht und ein Ehepaar, bei dem sie zwar mehr Bezug zur Musik hat als er. Doch er bot mit einer Peter Maffay Kassette, die in Saudi-Arabien gekauft wurde und dort, während er auf Montage war, eine kleine Verbindung zur Heimat herstellte, in einer Zeit ohne moderne Telekommunikation, die schönste Anekdote. Sie präferierte während ihres Lebens ein paar mal jeweils anderen Musikrichtungen und beide gingen damals auf Tanzveranstaltungen regelmäßig zusammen aus. Für alle vier Personen hat die Musik eine Rolle in ihrem Leben gespielt und spielt es teilweise auch immer noch. Die Größe der Rolle unterscheidet sich zwischen diesen Vieren. Auf die Allgemeinheit, kann durch diese Stichprobe jedoch nicht geschlossen werden
Die Rolle der Orte im Musik-Erleben von 1975 – 1985
Die in den Interviews befragten Personen sind in Niedersachsen aufgewachsen und haben in verschiedenen Ortschaften verschiedene Orte besucht, in denen sie Musik erlebt haben. Alle befragten Personen weisen dabei den besuchten Orten unterschiedliche Bedeutungen zu, haben unterschiedliche Vorlieben beim Erleben von Musik und damit verbunden auch unterschiedliche Vorlieben in der Wahl des jeweiligen Etablissements.
Bei all den Unterschieden lässt sich allerdings doch ein großer Konsens herausfiltern und der ist die soziale Komponente dieser Abende. Für alle Interviewpartner stand die Interaktionen mit ihren Peer-Groups und das Kennenlernen von Menschen im Vordergrund. Orte wie Diskotheken, Tanzschuppen und Freizeitcenter waren dabei der Kitt, der Freundschaften zusammengehalten hat und neue Kontaktknüpfungen ermöglichte. Vor allem im Kontext des Übergangs in die Erwerbstätigkeit, waren diese Orte in einer größtenteils analogen Zeit, wo teilweise noch keine Telefone vorhanden waren, so wichtig, um nicht den Kontakt zu verlieren.
„Das ist sicherlich nicht anders als bei euch heute. Das war der Punkt, wo man sich treffen konnte am Wochenende, ne. Wo man berufstätig war oder so, dann war das einfach der Punkt, wo man alle sah und treffen konnte…war wichtig, ne. Das war unser Wochenende“ (IP 1: #00:38:00).
„Welche Bedeutung, ja…man hat sich getroffen, hat vielleicht mal mit ein zwei Leuten ein Bier getrunken, aber Diskotheken waren der Anzugspunkt damals, wo sich alle getroffen haben, wo dann alle hingegangen sind. Man hat sich dann erst Zuhause getroffen, die ein Clique war da, die andere dahinten und irgendwann kamen die alle zusammen in der Diskothek und dann hat man auch die anderen Bekannten samstags und sonntags alle mal wieder getroffen“ (IP 4: #00:32:14#).
„Ja, halt eben die Clique, aber wie du [an Interviewpartner*in 2 gerichtet] schon gesagt hast, es gab kein Telefon, aber die Kommunikation klappte. Wir waren dann am Wochenende halt eben auch immer unterwegs und oft halt auch mit derselben Clique. Und ja, dann wurde da eben gefeiert.“ (IP 3: #00:40:02#).
Der große soziale Faktor, den diese Abende darstellten, wird vor allem durch ein Phänomen erkennbar, welches auch Schwetter in seinen Ausführungen beschreibt (Vgl. Schwetter: Musik-Erleben 2017, S.136). Dabei wechseln die Interviewpartner sehr oft in Momenten, in denen sie konkret von Ereignissen der Abende berichten, von der ersten Person Singular in den Plural wechseln. Dies zeigt eine kollektive Verbundenheit mit diesen Erlebnissen, die die Interviewpartner mit den Orten des Musik-Erlebens ihrer Jugend verbinden. In den von Schwetter geführten Interviews werden diese Orte aus diesem Grund auch häufig als eine „eigene Welt“ bezeichnet und auch in unseren geführten Interviews lassen Aussagen wie „Das war unser Wochenende“ (IP 1: 00:38:00) darauf schließen, dass diese Orte für die Interviewpartner eine besondere Bedeutung hatten. Sie wurden zu Räumen, die sich vom alltäglichen abgrenzten und von jeglichen Anforderungen des Privatlebens befreit waren. Einfach ein Ort, um Musik auf seine ganz eigene Art zu genießen. Einen solchen Ort wünscht sich bspw. Interviewpartner*in 1 in Vechta zurück, was an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll:
„Dann warte ich immer noch auf einen Gastwirt in Vechta, der das mal für sich entdeckt, diese Klientel und irgendwo einfach nur einen Raum zur Verfügung stellt und wenn das dann nur ein DJ ist, der da ein bisschen Mukke ablaufen lässt...wo eben, ja unser Alter hingehen kann und trotzdem die Musik nicht gleich nach Blasmusik klingt...weil man ist mit 63 Jahren verdammt nochmal nicht alt. […] Bewegung ist letztendlich auch etwas ganz Wichtiges in unserem Alter.“(IP 1: 00:10:24)
Erarbeitet von Jannes Ammann und Jannis Geers