'1968' in Vechta
'1968' ist europaweit zum Chiffre für umfangreiche kulturelle und soziale Veränderungen geworden; meist verbunden mit den Universitäten als Bildungsinstutionen und 'Studieren' als postadoleszenter Lebensform. Hatte Vechta, die kleine Stadt in Deuschlands Nordwesten, an diesen Umwälzungen teil? Wenn ja, in welchem Ausmaß war die Hochschule und ihre Mitglieder in diese involviert? Wir haben Antworten gesucht.
'Außeruniversitärer' Protest von Studierenden laut Volkszeitung
Biafra – Ein Staat zwischen Krieg und humanitärer Krise
Biafra war eine Republik, welche sich nach innerstaatlichen Konflikten mit Nigeria am 30. Mai 1967 unabhängig erklärte. Schon Anfang Juli 1967 begann zwischen beiden Parteien ein Krieg, nachdem nigrische Truppen in biafransiches Gebiet vorstießen. Durch diverse Abriegelungen und Blockaden, fand sich die Bevölkerung Biafras konfrontiert mit einer Unterversorgung, die sich schon bald in eine Hungernot entwickelte. Lange Zeit schwieg „der Westen“ zu den katastrophalen Lebensverhältnissen in Biafra. Erst, als Missionare auf das Elend der Zivilbevölkerung Biafras aufmerksam machten, wandte sich das Desinteresse der Welt hin zu einer Welle von Hilfsangeboten. Allen voran waren es die Kirchen, die diese Hilfen organisierten.
Nach ca. drei Jahren Krieg in Biafra sind schätzungsweise eine bis drei Millionen Menschen am Krieg und seinen Folgen verstorben. Die genauen Opferzahlen können nicht bestimmt werden. Im Januar 1970 kapitulierte Biafra und verschwand vollends von der Landkarte und aus den Gedächtnissen der „westlichen Bevölkerung“.
Auch in Vechta mobilisierte die Krise in Biafra die Bevölkerung: Am 17. Juli 1968 druckte die Oldenburgische Volkszeitung einen Beitrag der „Vechtaer Katholiken“, in dem sie gegen die Zustände in Biafra protestierten. An erster Stelle stand hierbei der „Völkermord an den Ibos [sic!] durch Hungerblockaden, Progrome [sic!], Exekutionen, Folterungen und Terrorbombardements“. (Ob es sich tatsächlich um einen Völkermord handelte, soll an diesem Punkt nicht tiefergehend behandelt werden.) Sie forderten ein Ende der britischen Waffelieferungen, die Verurteilung des Völkermordes durch die UN sowie den Einsatz von UN-Schutztruppen.
Im August 1968 fuhr die "Katholische Jugend von Lohne" (OV, 12.08.1968) wie zahlreiche andere Gruppen aus deutschen Diözesen nach Bonn, um in einem großen Schweigemarsch gegen die "Not in Biafra" zu demonstrieren. Am 20. August berichtete die Oldenburgische Volkszeitung von der Teilnahme der Lohner und Dinklager Jugendlichen am Bonner Schweigemarsch „für die Not in Biafra.“ Nach dem Protestmarsch wurde eine „Petition mit 25.000 Unterschriften“ dem russischen Botschafter Zarapkin und dem englischen Botschafter überbracht.
Eine Universitätsveranstaltung wird gestört - zurecht?
Am 12.06.1969 sollten die deutsch-britischen Freundschaftswochen feierlich eröffnet werden. Dafür stellte die PH Vechta ihren besten Saal, nämlich die neue Aula zur Verfügung. Zwölf bis 15 Studierende, die der Liberalen Hochschulgruppe angehörten, verschafften sich Zutritt zur Aula und betraten den Raum mit „roten Fahnen“ - wie die Oldenburgische Volkszeitung (13.06.1969) zu berichten wusste - um die Eröffnungsfeier in eine Diskussionsveranstaltung zu verwandeln, die auf die katastrophalen Umstände in Nigeria und Biafra aufmerksam machen sollte. Zunächst verteilten sie Flugblätter, die der britischen Regierung vorwarfen, für ihre „Erdölinteressen“ den Krieg in Nigeria und Biafra zu unterstützen. Ähnliches wurde der UdSSR, Frankreich und Portugal vorgeworfen. Nachdem sie zunächst aus dem Saal gedrängt wurden, kehrten sie direkt auf die Bühne zurück. Der Autor des Artikels schildert die Situation folgendermaßen:
„Das zweite „Go-In“ starteten sie etwa eine Viertelstunde später. Diesmal marschierten sie direkt auf die Bühne, umringten das Rednerpult und warteten zunächst ab, bis Bundesschatzminister Kurt Schmücker […] eine Pause machte. Daraufhin umringten sie ihn fester und einige versuchten, ihm das Mikrophon zu entwinden. Die Demonstranten wurden schließlich von […] Zuhörern, anderen PH-Studenten und sogar ihrem Dekan […] aus dem Saal gedrängt, teils mit sanfter Gewalt, teils mit gutem Zureden. Man hörte sie noch bis zum Ende des Festaktes diskutieren.“
Dieses Ereignis schlug in der regionalen Presse weiter Wellen. Studierende beharrten auf der Gewaltfreiheit ihrer Aktion und warfen vielmehr anderen Anwesenden Gewaltanwendung vor, andere Studierende distanzierten sich von ihren Kommilitonen.
Proteste innerhalb der Hochschule
Welche Gründe, Formen und Auswirkungen des inneruniversitären studentischen Protests wurden in der Oldenburgischen Volkszeitung währen der sogenannten "68er-Bewegung in Vechta benannt?
Erarbeitet von Laura Menke und Gina Kujawa