Springe zum Inhalt

Weiße Weihnachten

Nina Wegmann

Schon als Kind hat mich Schnee fasziniert. Ich bin gerne Schlitten gefahren und habe Schneemänner gebaut. Besonders an Weihnachten fand ich das toll.

Je älter ich geworden bin, desto mehr ist mir aufgefallen, dass nicht nur der Schnee weg war, sondern sich die Jahreszeiten generell etwas verändert haben...aber nicht unbedingt positiv.

 

Es ist Januar.

Ich sitze in der Küche und schaue aus dem Fenster. 

Es hat gefroren.

Die Spinnenweben sehen aus wie weiße Fäden. 

Sie erinnern mich an die Spinnennetze, die ich in der dritten Klasse in Kunst gemacht habe… aus

Schaschlikspießen und Wolle glaube ich.

Die Bäume sehen aus wie aus einem Zauberwald…einfach wunderschön

Mein Hund läuft über das gefrorene Gras und schnuppert…

Man erkennt die Wolke, die aus seiner Schnauze kommt, wenn er den heißen Atem in die kalte

Luft pustet.  

Ob das gefrorene Gras wohl knackt, wenn er drüber läuft?

Ich sitze hier in der Küche und schaue aus dem Fenster.

Vor mir meine dampfende Tasse Kaffee und meine Gedanken, die ich mit euch teile. 

Im Prinzip nehme ich euch mit in meine Kaffeepause.

Ich sitze hier und frage mich, ob es wohl bald wieder schneien wird, wie die letzten Tage. 

Dann könnte ich Schlitten fahren (Ja, auch mit 21 macht Schlitten fahren noch Spaß).

Das habe ich als Kind besonders zur Weihnachtszeit geliebt.  

Schnee an Weihnachten, das wäre toll.  

Einmal wieder weiße Weihnachten…

Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal Schnee an Heiligabend gesehen

habe….

Bestimmt als Kind.

War es denn schon immer so? Bilde ich mir das ein? 

Ich weiß aber noch, 

dass ich im Februar vor zwei oder drei Jahren weder Fahrrad noch Auto fahren konnte … und das

für mehrere Tage.

Es hat so sehr geschneit und die Straßen waren so glatt, dass wir fast unsere Schlittschuhe

rausgeholt hätten.  

Das hätte ich mir zu Weihnachten gewünscht.

Aber worauf man sich immer verlassen kann, das ist der April!

Da habe ich Geburtstag.

Auch etwas, worauf man sich verlassen kann und was immer gleich bleibt, er kommt jedes Jahr

wieder.

Aber zu meinem Geburtstag bekomme ich trotzdem immer wieder eine Überraschung.  

Das Wetter! Man kann sich darauf verlassen, dass man sich nicht darauf verlassen kann!

Denn der April…macht  ja bekanntlich das, was er will.

Ob Schnee

Oder Regen

Oder Hagel

Oder Sonne

Ob nass

Ob trocken

Ob warm

Ob kalt

Man weiß es nicht und es ist jedes Jahr eine  Überraschung.

Überraschend waren auch die Überschwemmungen vor ca. einem Jahr.  (Entschuldigung für den

Gedankensprung, aber ich musste gerade daran denken.) 

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich im Zug von Hamburg nach Bremen saß, um

nach Vechta zu kommen.  

Ich habe mich gefühlt, als würde ich im Polarexpress über einen See fahren. (Nur, dass wir auf

den Gleisen geblieben sind.)

Aber es war ein See, wo keiner sein dürfte…

Noch vor ein paar Wochen waren hier doch Felder … mit Rehen und Hasen.

Jetzt ist dort Wasser…nur Wasser und mein Zug…der mitten durch diesen See fährt.

Der Kaffee ist kalt. 

Ach, ein Eiskaffee ist auch ok, oder?

So wie im Sommer, wenn ich draußen …auf der Terrasse… im Strandkorb sitze.

Wenn die Sonne scheint, das Semester fast vorbei ist, die Welt in Ordnung ist 

und ich mein Leben in dem Moment exakt so romantisiere.

Pool…Sonne…eine kalte Limonade…Eiskaffee.

Der Hund, der einem Ball hinterherjagt, den meine Schwester geworfen hat und Papa, der in

kurzer Arbeitshose, T-Shirt und Sonnenbrille versucht, Mamas Wünsche für den Garten

umzusetzen.

Aber wenn ich mal genauer nachdenke, dann ist da mehr…

Der Hund legt sich nach einem Ballwurf in den Schatten, weil er die Hitze nicht ertragen kann,

Papa bricht ab, weil er nicht arbeiten kann, wenn die Sonne so auf ihn prallt

Der Rasen ist vertrocknet

Ich verstecke mich im Schatten, trotz Sonnenblocker, damit ich nicht verbrenne.

War es schon immer so warm? 37 oder 38 Grad waren es letzten Sommer, meine ich… Da hatten

wir es Weihnachten vor ein paar Jahren mit 17 Grad wohl gut…oder etwa nicht? 

Ich kann diese elendige Hitze nicht ab…und es wird gefühlt immer wärmer und wärmer…

Wie soll man diese Extreme nur aushalten? 

Wie wäre es mit dem Herbst?

Naja, auch wenn der Herbst meine absolute Lieblingsjahreszeit ist, wird dieser auch immer

verregneter und stürmischer.

Zu warm

Zu kalt

Zu nass

Zu trocken

Zu alles!

Nachrichten von Überflutungen, Klimawandel und alles Schreckliche, was sonst noch wo

passiert…

Man sagt uns, was wir tun und lassen sollen, um dem entgegenzuwirken.

Man sagt uns, dass alles nur Panikmache ist.

Man sagt uns, wir sind schuld.

Man sagt uns, dass wir etwas tun müssen!

Müssen wir? 

Müssen wir!

Und da schießt es mir in den Kopf…

Weihnachten 2010.

Ich war sieben Jahre alt. 

Schnee am Heiligen Abend.

Weiße Weihnachten

Ohne zu wissen, dass es das letzte für viele Jahre sein wird.

Ohne Gedanken über 

Hochwasser

Klimawandel

Politik

Nur…weiße Weihnachten

Nina Wegmann, Januar 2025