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Meine Klimageschichte

Kristina Zumholz

Ich fühle mich seit jeher der heimischen Landwirtschaft sehr verbunden und hatte es bis zum Sommer 2018 nicht für möglich gehalten, dass uns der Klimawandel so erbarmungslos treffen könnte.

 

Mein Name ist Kristina, ich wohne mit meinem Mann und unserer Tochter sowie meinen Schwiegereltern auf unserem landwirtschaftlichen Betrieb im Oldenburger Münsterland. Wir bewirtschaften den Betrieb im Vollerwerb mit der Aufzucht von Kälbern und der Mast von Jungbullen. Das Futter für unsere Tiere bauen wir auf unseren eigenen Flächen um unseren Hof herum an.

Meine Klimageschichte beginnt im Jahr 2018…

Wir wohnten seit kurzen in unserem eigenen Haus auf dem Hof und ich habe mir in den Sommerferien nach der Bauphase das erste Mal drei Wochen Urlaub genommen, um einen Hühnerstall zu bauen. Das 'Selberbauen' haben wir aber ganz schnell verworfen. Es sollte nun ein Bauwagen werden, der meinen zukünftigen gefiederten Damen ein neues Zuhause bietet. Schnell war alles geplant und organisiert, der Bauwagen war gekauft, der Zaun und die Rickelsuhlen aus dem Busch geholt. Das Einzige, womit wir gar nicht rechneten, war das Wetter: Es war heiß! So heiß wie noch nie! Tagsüber stiegen die Temperaturen jeden Tag auf über 35 Grad. Da ich Wärme nicht besonders mag, war dies für mich - wie man sich vorstellen kann - keine besonders schöne Urlaubswärme. Aber es half ja nichts, das Projekt Hühnerstall musste vorangehen! Um der Hitze am Tag zu entgehen, sind wir jeden Morgen um 4.00 Uhr aufgestanden und haben in den ersten beiden Morgenstunden den Hühnerstall renoviert und die Stalleinrichtung gebaut. Ab 6.00 Uhr wurden dann die Tiere gefüttert und die tägliche Stallarbeit gemacht. Als dies erledigt war, ging es nur noch schnell ins kühlere Haus bis zu den Abendstunden, in denen wieder gefüttert wurde. Mir taten die Tiere besonders leid, sie litten genauso unter der Hitze wie wir und es gab kaum Möglichkeiten ihnen etwas Abkühlung zu bieten.

Als nach ein paar Tagen der Hühnerwagen fertig renoviert war und wir ihn an seinen zukünftigen Platz gefahren hatten, wollten wir nun die Weide für meine Hühner einrichten. Wie wir es immer schon gemacht haben, wollten wir mit einem Spaten die Löcher für die Rickelsuhlen schmeißen, um danach den Zaun zu spannen. Aber das war unmöglich: Die Erde war aufgrund der Dürre steinhart! Wir sind keine 15 cm tief in die Erde gekommen. So etwas hatten mein Mann und mein 78-jähriger Schwiegervater noch nie erlebt. Aber wir wollten nicht aufgeben, das Projekt sollte in meinen Urlaub ja schließlich abgeschlossen werden. So sind wir zum nächsten Maschinenverleih gefahren und haben uns einen Erdbohrer besorgt. Voller Euphorie legte mein Mann los und merkte schnell, dass selbst der motorisierte Erdbohrer bei dem trockenen Boden sofort an seine Grenzen stieß. Es kam, wie es kommen musste, der Erdbohrer ist uns abgebrochen und wir mussten zurück zum Maschinenverleih. Keiner beim Maschinenverleih konnte glauben, was uns passiert war. Aber es half nichts, die Löcher mussten her. Also entschieden wir uns für das große Besteck und liehen uns einen Minibagger mit hydraulischem Erdbohrer aus. Und endlich hatten wir eine Chance! Nun haben wir es geschafft, mit der Kraft des Baggers konnten wir die Löcher tief genug bohren, um die Suhlen zu setzen. Damit hatten wir die größte Herausforderung beim Projekt Hühnerstall mit Weide geschafft! Schnell war der Zaun gesetzt und ein paar Tage später konnten die Hühner in ihr neues Zuhause einziehen.

Aber diese dauerhafte Hitze sollte uns noch viel mehr zu schaffen machen, als wir anfangs gedacht hatten…

Der Mais, die Hauptfuttergrundlage für unsere Tiere, litt unter der Hitzeperiode. Eigentlich war er schon keine Maispflanze mehr, er glich eher einer vertrockneten Yuccapalme oder einfach nur Tabak, den man bald rauchen konnte. Wir hofften bei jeder Wettermeldung auf den langersehnten Regen und Abkühlung. Aber leider sollte der Regen nicht mehr rechtzeitig kommen. Um unser Futter für die nächsten 12 Monate, oder das, was von der Trockenheit noch übrigblieb, zu retten, mussten wir uns entscheiden den Mais 2 Monate früher als vorgesehen zu ernten und hatten am Stoppelmarkt, dem berühmten Volksfest Vechtas, ungewollt bereits die ganze Ernte eingefahren. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir noch nicht abschätzen, welche Folgen die Trockenheit in den nächsten Jahren für unseren Betrieb haben sollte: Der Mais hatte durch die Trockenheit an Energie verloren, wir musste jede Menge Futter dazu kaufen, um annähernd unsere Tiere versorgen zu können. Die geringere Energie führte auch dazu, dass die Tiere nicht mehr wie gewohnt zunahmen und wir sie deutlich länger füttern mussten, bis sie zur Schlachtung kamen. In den kommenden Monaten mussten wir unseren Tierbestand immer weiter verringern, weil das Futter einfach nicht mehr ausreichte. Finanziell waren dies für unseren Betrieb die bisher schwersten Jahre.

Die Hitze im Sommer 2018 und die damit verbundene Dürre zeigte sich aber nicht nur betrieblich und finanziell auf ihre unerbittliche Art. Auf unserem Hof hat sie auch im alltäglichen Erscheinungsbild ihre Spuren hinterlassen. Unsere Vorfahren aus Nordrhein-Westfalen hatten unsere Flächen 1890 gekauft und die damaligen Heideflächen nach und nach kultiviert und den landwirtschaftlichen Betrieb unter großer Anstrengung und mit viel harter Arbeit aufgebaut. Zu dieser Zeit wurde auch das Hofgehölz angelegt. Nach dem trockenen Sommer 2018 mussten wir zig der damals gepflanzten Buchen fällen, die alle die Trockenheit nicht überlebt haben. Zuvor gesunde, 100-jährige Bäume wurden in nur einem Sommer dahingerafft. Es war ein sehr trauriges Bild.

Was blieb aus dem Sommer 2018?

Der Klimawandel war zuvor immer weit weg und plötzlich doch so nah. Betrieblich haben wir diesen Sommer überstanden, neue Bäume wurden gepflanzt und dennoch bleibt in mir bei jeder neuen Trockenperiode, Sommer für Sommer die Angst, dass sich diese Monate aus dem Jahr 2018 wiederholen könnten. Wir hatten bisher kaum Möglichkeiten, uns für die Zukunft auf diese Trockenheit vorzubereiten. Und deshalb bleibt uns zum jetzigen Zeitpunkt einfach nur das Hoffen. Das Hoffen, dass der Klimawandel nicht allzu schnell voranschreitet und wir von langanhaltenden Dürren noch verschont bleiben.

Kristina Zumholz, März 2025

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