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Forschungsprojekte

Kulturwissenschaftliche Forschung an der Universität Vechta steht an den Schnittstellen von Natur, Mensch und Technik. Schwerpunkte sind:

  • naturkulturelle Transformationsprozesse und kulturelles Gedächtnis,
  • kulturelle Ausdrucksformen und ihre Bedeutungen in Vergangenheit und Gegenwart,
  • digitale und technische Entwicklungen in menschlichen und nicht-menschlichen Praxen.

Hier finden Sie die einzelnen Projekte mit Kurzbeschreibungen.

Kreativer Hintergrund. Alte geöffnete Holztür in blaue Farbe. Übergang zu einem anderen Klima.

Ecocriticism und Environmental Humanities (Dürbeck)

In diesem Forschungsschwerpunkt werden mehrere Projekte realisiert. Die Environmental Humanities (EH) markieren einen Paradigmenwechsel in den Sozial-, Geistes-, Kulturwissenschaften, indem sie nach Antworten auf die Klimakrise und den radikalen Umweltwandel im Zeitalter des Anthropozän suchen. In Anbindung an und in Kooperation mit den Naturwissenschaften erforschen die EH zum einen die sozialen und kulturellen Auswirkungen von anthropogenen Eingriffen in die Umwelt wie Ressourcenerschöpfung, Biodiversitätsverlust, Meeresverschmutzung und toxische Landschaften, zum anderen die unterschiedlichen Einstellungen, Imaginationen, Werthaltungen und Repräsentationen von Mensch-Umwelt-Verhältnissen im historischen Wandel und in ihren jeweiligen räumlichen, sozialen und kulturellen Kontexten.

In Vorbereitung sind zwei Special Issues:

Netzwerke des Lebendigen, multispecies agencies und Form­experi­mente in hybriden Genres. In: Transpositiones. Zeitschrift für transdisziplinäre und intermediale Kultur­forschung (2023), hg. Gabriele Dürbeck, Urte Stobbe und Evi Zemanek.

Networks of Plants and Language of Resonance in Science and Literature, hg. von Gabriele Dürbeck Yixu Lü

Buchreihen zu Environmental Humanities (Dürbeck):

Studies in Literature, Culture, and the Environment, hg. von Hannes Bergthaller und Gabriele Dürbeck (Peter Lang), seit 2015 (double blind peer-review)

Environmental Humanities, hg. von Hannes Berthaller, Gabriele Dürbeck und Evi Zemanek (Metzler/Springer), seit 2022 (double blind peer-review)

Publikationen:

Gabriele Dürbeck und Urte Stobbe (Hg): Ecocriticism. Eine Einführung. Köln u.a.: Böhlau 2015.

Gabriele Dürbeck und Florian Auerochs: „Environmental Studies und Environmental Humanities”. In: Nesselhauf, Jonas/ Weber, Florian (Hg.): Kulturwissenschaftliche ‚Studies‘. New York et al.: DeGruyter 2023.

Teilausschnitt eines Banner Anthropozän-Projekt

Anthropozäne Literatur und Narrative des Anthropozän (Dürbeck)

Das Anthropozän-Konzept hat in natur-, sozial-, geistes- und kulturwissenschaftlichen Diskussionen wie auch der Öffentlichkeit breite Resonanz gefunden und dient als inter- und transdisziplinäres Brückenkonzept. Das Anthropozän wird vielfach als Narrativ mit Story, Plot, Protagonisten, räumlicher und zeitlicher Struktur und handlungsorientierten Sinnstiftungen präsentiert. Narrative dienen der Sinnstiftung, Orientierung und Kontingenzreduktion. In dem DFG-Projekt „Narrative des Anthropozän in Wissenschaft und Literatur“ (2017-2020) hat aus literatur- und kulturwissenschaftliche Perspektive die narrativen Strukturen, Annahmen, Metaphern und Deutungsmuster in Schlüsseltexten des seit 2000 virulenten Anthropozän-Diskurses analysiert. In der sich daran anschließenden Forschung geht es um die Untersuchung, wie sich der durch das Konzept des Anthropozäns markierte Themenwandel in Texten und Erzählformen der Gegenwartsliteratur niederschlägt und wie diese dazu beitragen, das abstrakte Konzept für ein breiteres Publikum anschaulich zu machen, zu verarbeiten und kritisch zu wenden. Zentrale Frage ist dabei, ob sich von einer anthropozänen Literatur mit abgrenzbaren Merkmalen und einer eigenen Poetik sprechen lässt.

Publikationen:

Gabriele Dürbeck: Narrative des Anthropozän – Systematisierung eines interdisziplinären Diskurses. In: Kultur­wissen­schaftliche Zeitschrift 2.1 (2018), S. 1-20.

Gabriele Dürbeck und Philip Hüpkes. Narratives of Scale in the Anthropocene: Imagining Human Responsibility in an Age of Scalar Complexity. New York: Routledge 2021

Gabriele Dürbeck, Simon Probst und Christoph Schaub (Hg.): Anthropozäne Literatur. Poetiken – Genres – Lektüren. Berlin: Metzler/Springer 2022.

Gabriele Dürbeck: Inter-, Trans- and Multidisciplinary Approaches to the Anthropocene as a Challenge for Literary Studies. In: Scientia Poetica 26 (2022), S. 263-279.

Anthropozän. Industrielle Ablagerungen im Vordergrund und im Hintergrund

Bausteine zu einer Theorie des naturkulturellen Gedächtnisses im Anthropozän (Dürbeck)

Das Projekt zielt darauf ab, erstmals die Theorie eines naturkulturellen Gedächtnisses im Anthropozän zu formulieren und auf deren Basis zu untersuchen, wie Literatur und Medien als naturkulturelle Archive und Gedächtnismedien von Erdgeschichte fungieren. Es soll damit einen Beitrag zur Erweiterung der Cultural Memory Studies leisten.

Publikationen:

Gabriele Dürbeck und Simon Probst: Tiefenzeitliche Erinnerungen in der anthropozänen Literatur. Auf dem Weg zur Theorie eines naturkulturellen Gedächtnisses. In: Kulturwissenschaftliche Zeitschrift 1 (2023)

Schriftzug Postkoloniale Studien in der Germanistik

Postkoloniale Studien (Dürbeck)

Laufende Buchreihe: Postkoloniale Studien in der Germanistik, hg. von Gabriele Dürbeck und Axel Dunker (Aisthesis Verlag), seit 2011

Publikationen:

Gabriele Dürbeck und Axel Dunker (Hg.): Postkoloniale Germanistik. Bestandsaufnahme, theoretische Perspektiven, Lektüren. Bielefeld: Aisthesis

Dirk Göttsche, Axel Dunker und Gabriele Dürbeck. Metzler-Handbuch Postkolonialismus und Literatur. Stuttgart: Metzler 2017.

Illustration. Schreibmaschine fliegt über Meer und Insel.

Nature Writing im Werk Judith Schalanskys (Dürbeck)

Der geplante Artikel zeigt anhand repräsentativer Texte der Schriftstellerin von Judith Schalansky, zugleich Herausgeberin der bereits 83 Bände zählende Reihe „Naturkunden“ beim Matthes & Seitz Verlag Berlin, die vielfachen Bezüge zur neueren Entwicklung des Nature Writing. Gekennzeichnet ist es durch eine genaue Beobachtung naturkultureller Verflechtungen in einem begrenzten Zeitraum und Ort, durch experimentelle Schreibweisen und hybride Formen. Außerdem zielt es auf Darstellung und Reflexion von ökologi­schen, lokalen und urbanen Zusammen­hängen und sucht nach neuen ästhetischen Antworten auf das große Ausmaß der Umwelt­krise. Der Artikel wird im Sonderheft „Judith Schalansky“ (text + kritik 2023/24, hg. von Lilla Balint und Leonhard Herrmann) erscheinen.

Publikationen:

Gabriele und Dürbeck und Christine Kanz (Hg.): Nature Writing in der deutschsprachigen Literatur von Goethe bis zur Gegenwart. Kon­troversen – Positionen – Perspektiven. Berlin: Metzler.

Gabriele Dürbeck und Christoph Schaub: Judith Schalanskys Poetik untergegangener und abgelegener Inseln. Zu Atlas der abgelegenen Inseln und Verzeichnis einiger Verluste. In: Borgards, Roland, Shah, Mira/Kugler, Lena (Hg.): Die Zukunft der Inseln. Passagen zwischen Literatur und Wissen­schaft. Hannover: Wehrhahn (2021), 51-68.

Eine Reihe mit Büchern Digital Humanities

Digitale Methoden für qualitative Forschung (Franken)

Qualitative Forschung ist bisher nur wenig im Kontakt mit digitalen Methoden, die über digitale Handarbeit wie die Nutzung von kommerzieller Software hinausgeht. Insbesondere die Arbeit mit multimodalen Quellen in iterativen Forschungsprozessen macht dies schwierig, es sind neue Zugänge zum computationellen Umgang mit Bedeutungspluralitäten notwendig. Außerdem stellt sich die Frage nach der Relevanz von Korpusgenerierungen neu. Eng damit verbunden ist die Entwicklung entsprechender Infrastrukturen. Das Forschungsprojekt arbeitet bestehende Ansätze aus den Digital Humanities und Computational Social Sciences auf und macht diese für qualitative Forschungen anschlussfähig. Zur besseren Passgenauigkeit werden diese weiterentwickelt und kombiniert. Dies geschieht u.a. in enger Abstimmung mit der Design Group der Platform for Experimental, Collaborative Ethnography (PECE).

Publikationen:

Lina Franken (2023): Digitale Methoden für qualitative Forschung. Computationelle Daten und Verfahren (UTB Studium). Münster 2023, https://www.utb.de/doi/book/10.36198/9783838559476

Lina Franken (2022): Digitale Daten und Methoden als Erweiterung qualitativer Forschungsprozesse. Herausforderungen und Potenziale aus den Digital Humanities und Computational Social Sciences. In: Forum Qualitative Sozialforschung 22. doi.org/10.17169/fqs-22.2.3818

Durch das geöffnete Fenster der Webstube filmt ein Kameramann die Arbeitsschritte der Leinenweberei.

Nachnutzung von Interviewtranskripten mit digitalen Methoden (Franken)

Durch Forschungsdatenmanagement und Digitalisierungsinitiativen sind zunehmend auch qualitative Forschungsdaten zur Nachnutzung verfügbar, werden bisher aber noch selten verwendet. Das Forschungsprojekt fragt danach, wie computationelle Methoden für Interviewtranskripte verwendet werden können und lotet notwendige Erweiterungen insb. hinsichtlich der transkribierten mündlichen Rede aus. In Workshops wird außerdem herausgearbeitet, wie menschliche und manuelle Annotationen mit diesen Daten im Vergleich funktionieren und wie sie kombiniert werden können. Im Rahmen des Projektes besteht u.a. eine enge Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Digital Humanities der Fernuniversität Hagen und dem dortigen Archiv deutsches Gedächtnis.

Publikationen:

Nils Egger, Lina Franken, Dennis Möbus, Florian Schmid (2023): Oral History auf dem Weg zu Big Data: menschliche und maschinelle Annotation lebensgeschichtlicher Interviews im Vergleich. In: Christoph Schöch et al. (Hg.): Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) 2023. Book of Abstracts. https://zenodo.org/record/7715317.

Lina Franken, Nils Egger, Luis Fischer, Katharina Lillich, Florian Schmid (2023) : Nachnutzung von Forschungsdaten für qualitative Forschungen. Text Mining als Ansatz zur Exploration transkribierter Interviews. In: Digital[ität] Ethnografieren. Forschungsmethoden für den digitalen Alltag. KA-Notizen 85 (2023), S. 188–222. https://doi.org/10.21248/ka-notizen.85.16.

Archiv des Alltags im Rheinland. Frau sitzt vor einem alten PC.

Digitales Kulturerbe mit computationellen Methoden erschließen und beforschen (Franken)

Bevor Kulturerbe digital verfügbar und nachnutzbar ist, muss es erschlossen werden, was viel unsichtbare Arbeit und Entscheidungsprozesse umfasst. Die Verwendung von bereits digital und in Papierform vorliegenden Informationen sowie die Nutzung von maschinellem Lernen wird im Forschungsprojekt explorativ erkundet, bestehende Ansatzpunkte aus den Digital Humanities übertragen und weiterentwickelt. Gleichzeitig werden digital bereits erschlossene Datensätze nachgenutzt, um kulturwissenschaftliche Fragestellungen zu beantworten. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit u.a. mit dem An-Institut für Kulturanthropologie der Universität Vechta (KAI-OM), dem Archiv des Alltags im Landschaftsverband Rheinland und dem digiCULT Verbund.

Publikationen:

Lina Franken (2020): Anwendungen von DH-Methoden in der Erschließung und Digitalisierung von Kulturerbe. Ein Vorschlag zur Systematisierung. In: 7. Tagung des Verbands Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e.V. (DHd 2020). Spielräume. Digital Humanities zwischen Modellierung und Interpretation. Konferenzabstracts. Universität Paderborn 2. bis 6. März 2020, S. 74–77. zenodo.org/record/4621736.

Strichzeichnung einer zwiebelähnlichen Knolle. Computercode in seinen Dimensionen.

Computercode in ethnografischer Forschung (Franken)

Dass Computercode in zahlreichen kulturellen Praxen beteiligt ist und auch Agency hat, ist für einige Bereiche offensichtlich, in anderen Zusammenhängen kaum in Alltagswelten bekannt. Im Projekt erforscht Lina Franken gemeinsam mit dem Code Ethnography Collective, welche Rolle Computercode in ethnografischer Forschung aktuell hat und zukünftig haben könnte, und leitet daraus methodische Potentiale ab. In der Forschungsgruppe werden neue methodische und theoretische Ansätze diskutiert und erprobt. Die Zusammenarbeit erfolgt u.a. in engem Austausch mit Rebecca Carlson (Toyo University Japan), Libuše Hannah Vepřek (LMU München) und Sarah Thanner (Universität Regensburg). Weitere Informationen: codeethnographycollective-ceco.github.io (im Aufbau).

Publikationen:

Rebecca Carlson, Ruth Dorothea Eggel, Lina Franken, Sarah Thanner, und Libuše Hannah Vepřek (2021): Approaching Code as Process. Prototyping Ethnographic Methodologies. In: Kuckuck. Notizen zu Alltagskultur und Volkskunde 1, 13–17.

Libuše Hannah Vepřek, Sarah Thanner, Lina Franken, und das Code Ethnography Collective (CECO) (2023): Computercode in seinen Dimensionen ethnografisch begegnen. In: Digital[ität] Ethnografieren. Forschungsmethoden für den digitalen Alltag. KA-Notizen 85 (2023), S. 139–166. https://doi.org/10.21248/ka-notizen.85.13.

Webseite: https://codeethnographycollective-ceco.github.io/.

Ausschnitt eines Buchcovers. Wie wir arbeiten (wollen).

StudioLab Arbeit an Arbeit (Franken)

Die von Lina Franken mitgegründete Forschungsgruppe untersucht Arbeitskulturen in Vergangenheit und Gegenwart und legt einen Schwerpunkt auf akademisches Arbeiten im 21. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stehen der thematische, konzeptuelle und kritische Austausch, um gemeinsam Inhalte zu diskutieren und weiterzudenken, hierarchiekritisch und transgenerationell an Themenfeldern zu arbeiten sowie die Vernetzung zu fördern.

Publikationen:

Explorativ StudioLab Arbeit an Arbeit (2023 in Druck): Wie wir arbeiten wollen. In: Zeitschrift für Empirische Kulturwissenschaft 119 (1), https://doi.org/10.31244/zekw/2023/01.07.

Webseite: https://arbeitanarbeit.wixsite.com/studiolab.

Von der Exklusion zum „sozialen Tod“- die kulturelle Praxis des Ausschlusses im Mittelalter (Garnier)

Das Ideal jeglicher Gemeinwesen ist es, den Mitgliedern einen geschützten Rechts- und Friedensbereich zu garantieren und eventuelle Verstöße gegen die soziale Ordnung zu sanktionieren. Mittelalterlichen Gesellschaften standen in diesem Zusammenhang keinerlei – modern formuliert – „Exekutionsorgane“ bereit, um einen Täter zu verfolgen und die Beachtung einer Strafe zu erzwingen. In diesen Fällen erfolgte der Ausschluss aus der Gemeinschaft.  Diese Exklusion bedeutete, dass dem so Bestraften die Rechte und Vorteile entzogen wurden, die den übrigen Mitgliedern des Verbundes das Überleben sicherten. Der Ausschluss ging in einigen Fällen sogar so weit, dass man die Bestraften als Tote bezeichnete. Sie starben jedoch nicht den physischen, sondern den gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Tod – kurzum sie erlitten ein Schicksal, das als „sozialer Tod“ bezeichnet werden kann. Der Kategorisierung des „sozialen Todes“ liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Tod nicht nur ein biologisches Phänomen ist, sondern ebenfalls durch die kulturelle Praxis einer Gesellschaft bestimmt wird. So stirbt ein Mensch als physisches Individuum den biologischen Tod; gleichzeitig verstirbt er als Mitglied einer sozialen Gemeinschaft. Biologischer und sozialer Tod können dabei deckungsgleich sein, aber auch auseinandertreten. Dies bedeutet, dass einerseits biologisch Lebende wie bereits Verstorbene behandelt werden können, so dass jegliche Bindung zu ihnen abgebrochen wird. Vor diesem kulturanthropologischen Hintergrund werden vor allem die Formen der Ausgrenzung untersucht, die als Sanktion von Verstößen gegen die Gesellschaftsordnung eingesetzt wurden. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang die Interpretationsstrategien, mit denen Verstoß und Ahndung kulturell erklärt wurden.  Das Projekt greift unterschiedliche Aspekte auf und untersucht die Genese spezifischer Ausschlussformen in Abhängigkeit bestimmter politischer, sozialer und religiöser Ordnungen.

Publikationen (Auswahl):

Claudia Garnier, Johannes Schnocks (Hgg.), Sterben über den Tod hinaus. Politische, soziale und religiöse Ausgrenzung in vormodernen Gesellschaften, Würzburg 2012.

Formen und Grenzen interkultureller Kommunikation zwischen Ost und West (Garnier)

Chancen und Grenzen des interkulturellen Austauschs sind in der Gegenwart zu nahezu universell einsetzbaren Metaphern geworden, wenn es um die Diskussion gesellschaftlicher wie ökonomischer Entwicklungen geht. Das Thema ist in der nationalen wie internationalen Politik ebenso virulent wie in global operierenden Konzernen, die über die Grenzen der Kontinente hinweg verschiedene Unternehmenskulturen und Verbrauchermentalitäten zu berücksichtigen haben. Auch in heutigen, vermeintlich ausschließlich an Sachfragen orientierten Transferprozessen spielt die Frage, welche Signale dem Gegenüber ausgesandt und wie sie rezipiert werden, eine wichtige Rolle.  In den Austauschbeziehungen der Gegenwart ist man sich der Tragweite dieser Problematik bewusst, können doch wohlgemeinte Zeichen vom Partner missverstanden werden und somit den Erfolg einer Mission gefährden. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich die moderne Kommunikationswissenschaft in der jüngeren Vergangenheit dieses Themas verstärkt angenommen hat, um zum einen den notwendigen wissenschaftlichen Diskurs zu bieten und um zum anderen im Dickicht globalisierter Handlungsräume das praktische Rüstzeug zu liefern.
Kontakte zu fremden Kulturkreisen hat es seit jeher gegeben, ohne dass sich die Akteure so wohlinformiert aufeinander einlassen konnten wie heute. Innerhalb Europas existierte im Mittelalter zwar ein mehr oder weniger differenziertes Wissen über die Nachbarn, ihre Sprache und Kultur. Es nahm jedoch in dem Maße ab, in dem man sich der Peripherie des Kontinents näherte oder gar seine Grenzen überschritt. Handelte es sich um Völker außerhalb des europäischen Mächtesystems, so war das existierende Wissen kaum geeignet, die Handlungen des Gegenübers adäquat zu erfassen. Im Projekt werden Formen und Grenzen interkultureller Kommunikation analysiert. Dabei sind dauerhafte wie temporäre Kontakte zwischen dem ostfränkischen bzw. römisch-deutschen Reich und Regionen an der (süd)östlichen Peripherie Europas in den Blick genommen, die sich nicht nur durch sprachliche Fremdheit, sondern auch durch unterschiedliche Religionen und politische Systeme auszeichneten. Zur Disposition steht die grundsätzliche Frage, wie unterschiedliche Kulturkreise miteinander kommunizierten und welche Probleme und Lösungsansätze zu rekonstruieren sind.

Publikationen (Auswahl):

Claudia Garnier, Christine Vogel (Hgg.): Interkulturelle Ritualpraxis in der Vormoderne. Diplomatische Interaktion an den östlichen Rändern der Fürstengesellschaft (Beihefte der ZHF 52), Berlin 2016.

Gerd Althoff, Claudia Garnier (Hgg.), Die Sprache der Gaben. Die Regeln der symbolischen Kommunikation in Europa 1000-1700 (= Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 63 [2015]. Themenheft).

Exegese des Neuen Testaments (Pellegrini)

Die neutestamentliche Zeit (1. Jh. n. Chr.) ist eine kulturell starke Umbruchszeit: Ein neuer Glaube (an Christus) entsteht und dieser Glaube prägt eine neue globale Kultur, die bald Europa erobern wird: das Christentum. Schwerpunkte meiner Lehre in den kulturwissenschaftlichen Studiengängen sind der Einfluss der damaligen Mittelmeerkulturen auf die Stiftung eines neuen Glaubens – des Glaubens an Jesus Christus – und auf die Identitätsbildung dieser neuen Glaubensgemeinschaft innerhalb des Judentums, und wie dieser neue Glaube als kultureller Sprengstoff auf alle Mittelmeerkulturen globalisierend zurückwirkte: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «eins» in Christus Jesus.“ mit Gal 3,28. Insbesondere wird die anthropologische Sicht betrachtet, um die Würde des Menschen in seiner Relation zu Gott durch Christus absolut und bedingungslos zu verankern.

Publikationen:

Silvia Pellegrini: Krisenzeit als Zeit der Metanoia: Impulse aus dem Neuen Testament, in: Elmar Kos (Hg.), Kirchenkrise als Chance (Vechtaer Beiträge 15), Münster 2012, 43-56

Hermeneutik des interreligiösen/interkulturellen Dialogs: Anregungen aus dem Neuen Testament, in: M. Bongardt/R. Kampling/M. Wörner (Hrsgg.), Verstehen an der Grenze – Beiträge zur Hermeneutik interkultureller und interreligiöser Kommunikation (Jerusalemer Theologisches Forum 4), Münster: Aschendorff 2003, 143-165

Silvia Pellegrini: Feministische Anfragen an das Jesusbild, in: A. Hölscher/R. Kampling (Hrsgg.), Die Tochter Gottes ist die Weisheit. Bibelauslegung durch Frauen (Theologische Frauenforschung in Europa), Münster: Lit Verlag 2003, 69-114

Gemälde Botschafter Cornelis Calkoen bei der Audienz bei Sultan Ahmed III 14. September 1727

Diplomatie als transkulturelle Praxis – französisch-osmanische Beziehungen zur Zeit Ludwigs XIV. und Mehmeds IV. (Vogel)

Im Rahmen von mikroanalytisch angelegten Fallstudien werden französische Diplomaten im Osmanischen Reich als transimperiale Akteure untersucht. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf ritualisierten Interaktionsformen sowie auf transkulturellen Praktiken der Netzwerkbildung und Soziabilität im frühneuzeitlichen Istanbul. Da in Istanbul nicht nur permanente diplomatische Vertreter vieler lateinchristlicher Mächte residierten, sondern regelmäßig auch Gesandtschaften asiatischer und afrikanischer Herrscher empfangen wurden, kann die Hauptstadt des Osmanischen Reichs als Experimentierfeld par excellence einer transkulturellen frühneuzeitlichen Diplomatie betrachtet werden. Die lateinchristlichen Diplomaten, die häufig über lange Jahre an ihrem Einsatzort tätig waren, bewegten sich in der osmanischen Hauptstadt in einem multikulturellen Umfeld, in dem konkurrierende politische, religiöse und soziale Geltungsansprüche im Kontext wechselnder politischer und kriegerischer Konstellationen immer wieder neu auszuhandeln waren. Im Projekt werden Formen diplomatischer Netzwerkbildung, Akte symbolischer Repräsentation sowie Strategien der Informationsgewinnung und der Verhandlungsführung als transkulturelle Praktiken untersucht. Dabei stehen neben den Botschaftern selbst auch weitere diplomatische Akteure wie z.B. Sekretäre, Übersetzer, Dolmetscher, Bedienstete und Kaufleute im Fokus. Ziel ist es, mit einer globalgeschichtlichen Perspektive auf die frühneuzeitliche Diplomatie einen Beitrag zur Dezentrierung des diplomatiehistorischen Meisternarrativs zu leisten. Perspektivisch sollen auch Fragen nach der Erzeugung, der Materialität und den Trägern von politischer Information in transimperialen Räumen untersucht werden.

Bisherige Erträge: 3 Sammelbände in Co-Herausgeberschaft, 13 Aufsätze

Altes Schriftstück - Bericht vom 22. Juli 1845 über die Notwendigkeit einer zu errichtenden Irrenheilanstalt

Digitale Erschließung und Präsentation von Archivquellen zur Psychiatriegeschichte des Herzogtums Oldenburg (1773-1869) – Mikrogeschichte mit digitalen Methoden? (Vogel)

Welche Auswirkungen hatten medizinisches Handeln und die Gründung spezialisierter staatlicher Fürsorgeeinrichtungen auf das Leben von psychisch erkrankten Menschen und von Menschen mit kognitiver oder intellektueller Beeinträchtigung? Diese Fragen stehen im Zentrum eines digitalen Editionsprojekts, das vom Land Niedersachsen von 2023 bis 2026 finanziert wird. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Bestands- oder Werkedition im klassischen Sinn. Vielmehr stammt das Material aus verschiedenen Beständen des Niedersächsischen Landesarchivs und soll in einer Weise digital erschlossen und präsentiert werden, die es Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht, zwischen Fallstudien zu einzelnen Betroffenen und der Perspektive der Institutionen und Behörden zu wechseln. Die Sichtbarmachung der Verschränkung beider Ebenen soll ermöglichen, die soziale Logik des Umgangs mit geistig differenten Menschen in ihrer Komplexität und Ambivalenz zwischen medizinischer Kategorisierung, staatlicher Verwaltung und soziokultureller Praxis nachzuvollziehen. Da die Quellenauswahl dabei primär durch die Rekonstruktion der Fallgeschichten bestimmt ist, werden damit zudem auch solche Quellen für die psychiatriehistorische Forschung erschlossen, die bislang selten für solche Fragen in Betracht gezogen wurden, weil sie nicht unmittelbar dem institutionellen Kontext psychiatrischer Anstalten entstammen. Methodisch versteht sich das Projekt als Versuch einer Mikrogeschichte mit digitalen Methoden – womit zugleich erprobt werden soll, wie digitale Methoden jenseits von „big data“ zu qualitativen Erkenntnisgewinnen beitragen können.

Bisherige Erträge: 1 Aufsatz, Perspektiven: Digitale Edition mit umfangreichem Sachkommentar, 1 geplanter Sammelband

Projekthomepage: https://www.uni-vechta.de/geschichtswissenschaft/lehrende/vogel-christine/zwischen-fuersorge-und-zwang

Laufende Promotionen und Habilitationen

Sören Barkey: Das Verbrechen des Anthropozäns. Literarische Verarbeitungen des Ökozids (Promotionsprojekt an der Universität Potsdam, Zweitbetreuung: Gabriele Dürbeck)

Dr. Manuel Clemens: Politische Unmittelbarkeit. Die affektiven Grundlagen von Toleranz (Habilitationsprojekt,Erstbetreuung: Prof. Dr. Gabriele Dürbeck)

Marie Dierkes: „ich hiez si … werfen für diu swîn“ - Kulturelle Wahrnehmungen und Deutungen des Schweins im Mittelalter (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Claudia Garnier)

Nicolas Dittgen: Partizipation und Digitalität im musealen Bereich (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Lina Franken)

Philip Hüpkes: Skalare Medienästhetik (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Gabriele Dürbeck)

Isabella Kölz: Gutes Design(en). Kollaborative Ethnografie einer Fakultät für Gestaltung (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Lina Franken)

Ismail Mai: Medienökologische Betrachtung ausgewählter Umweltdokumentarfilme aus Sicht der Environmental Humanities (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Gabriele Dürbeck, gefördert durch die Friedrich-Naumann-Stiftung)

Elshaimaa Hussein Afifi Mohamed: Frauen auf Reisen im Orient in der Zeit von 1840 bis 1940, (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Gabriele Dürbeck, gefördert durch die Friedrich-Naumann-Stiftung)

Sabina Mollenhauer: Data Pipelines for Digital Humanities (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Lina Franken)

Dr. Christoph Schaub: Weltentwürfe zwischen Globus und Planet. Zur Theorie und Kritik assemblierter Kurzprosa in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (Habilitationsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Gabriele Dürbeck)

Marie Scheffler: Vom Landwirt zum Energiewirt? Aushandlungsformen eines Transformationsprozesses (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Lina Franken)

Raphael-Henrik Schmitt: Religiöse Transformationsprozesse zwischen Ems und Weser: Mission und frühes Christentum vom 8. bis zum 10. Jahrhundert (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Claudia Garnier)

Dr. David Weiss: Die Außenbeziehungen des Lateinischen Kaiserreichs (Habilitationsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Claudia Garnier)

Anna-Louise Weßling: Selbstkonzepte auf dem Prüfstand. Brüche und Kontinuitäten in den Lebensläufen geflüchteter Frauen in Deutschland (Promotionsprojekt, Erstbetreuung: Prof. Dr. Gabriele Dürbeck)

Bildnachweise: Ecocriticism und Environmental Humanities (Aliaksandr Marko/AdobeStock), Anthropozäne Literatur und Narrative des Anthropozän (k.A.), Bausteine zu einer Theorie des naturkulturellen Gedächtnisses im Anthropozän (luisrsphoto/AdobeStock), Postkoloniale Studien, (k.A.), Nature Writing im Werk Judith Schalanskys ( fabioderby/AdobeStock), Nachnutzung von Interviewtranskripten mit digitalen Methoden (Detlef Perscheid/LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte), Digitales Kulturerbe mit computationellen Methoden erschließen und beforschen (Peter Weber/LVR), Computercode in ethnografischer Forschung (Emil Rieger), StudioLab Arbeit an Arbeit (Designbüro@studiolab), Diplomatie als transkulturelle Praxis (Rijksmuseum), Digitale Erschließung und Präsentation von Archivquellen zur Psychiatriegeschichte des Herzogtums Oldenburg (NLA OL), alle Weiteren Universität Vechta/F.Schmidt